Rezension

Düsterer Blick auf das vermeintlich idyllische Vorstadtleben

The Girl on the Train - Paula Hawkins

The Girl on the Train
von Paula Hawkins

Bewertet mit 5 Sternen

Rachel pendelt täglich mit dem Zug nach London. Dieser Zug muss morgens und abends immer an einem bestimmten Streckenpunkt halten, sodass Rachel immer dasselbe Haus im Blick hat. Über die Zeit meint sie die beiden Bewohner gut zu kennen, meint Einblicke in ihr vermeintlich perfektes Leben zu haben, das im krassen Gegensatz zu Rachels eigenem steht. Eines Tages jedoch bekommt diese perfekte Oberfläche einen Kratzer. Und auch Rachels Leben ist danach nicht mehr wie vorher.

Dieses Buch ist viel mehr als ein „einfacher“ Thriller. Hawkins lässt uns ganz tief blicken in die Abgründe, die sich hinter vermeintlich normalen Hausfassaden verstecken, zeigt dass jeder Mensch sein Päckchen zu tragen hat. Manch einer kann es nur besser verbergen als manch anderer. Rachels Alkoholsucht wird dabei ebenso feinfühlig thematisiert wie die Probleme der anderen Hauptfiguren. Die Autorin erzählt die Handlung nicht chronologisch, sondern setzt dem Leser immer nur kleine Häppchen vor, die mal ein paar Monate früher, mal ein paar Monate später spielen. Dieses Verwirrspiel aus kleinen Informationshäppchen ist wirklich sehr klug konzipiert und der Leser wird des Öfteren aufs Glatteis gelockt und kann sich erst nach einiger Zeit die Wahrheit zusammenpuzzeln. Die Geschichte wird zudem aus drei Perspektiven erzählt, z.T. überschneiden sich die Ereignisse auch. Was für Person A harmlos ist, sieht Person B aus einer völlig anderen Sicht und Person C versteht das Ganze wieder ganz anders. Trotzdem schafft es die Autorin, dass jede dieser Sichtweisen in sich völlig logisch mit dem Geschehen und der Person harmonieren. Da Rachel schwere Alkoholikerin ist, sind ihre Erlebnisse und Erinnerungsfetzen zusätzlich mit Vorsicht zu genießen, man weiß nie ob es sich dabei um die Wahrheit handelt. Die Figuren sind sehr plastisch gezeichnet und der Autorin hervorragend gelungen. Manche verachtet man, manche findet man sympathisch. Bis man wieder ein Puzzlestückchen serviert bekommt, dass einen die eigene Meinung überdenken lässt. Dieses Zusammenspiel aus zusammengepuzzelter Wahrheitsfindung und Charakterenthüllung macht für mich den Großteil der Spannung im Buch aus, der „Kriminalfall“ und dessen Auflösung rücken da fast ins Hintertreffen. Obwohl ich natürlich wissen wollte was genau passiert ist.

Insgesamt hat mir „The girl on the train“ sehr gut gefallen und ich kann es jedem empfehlen, der einen Krimi abseits von literweise Blut und stupider Polizeiarbeit sucht.