Rezension

Eigenwilliges Aussteigerdrama

Die dritte Quelle -

Die dritte Quelle
von Werner Köhler

Bewertet mit 3 Sternen

Kurzmeinung: Abenteuer mag ich - aber nicht alle, keine durchgeknallten Aussteiger. Oder müssen Aussteiger durchgeknallt sein?

Der Autor schickt seine Figur, den ältlichen Harald Steen, nach Floreana, um die sogenannte „Galapagos-Affäre“, neu zu erzählen. Die Kenntnis dieser Story, tragische Umstände, die sich um 1934 tatsächlich zugetragen haben, sind heute nicht mehr allen präsent. 

Dore Strauch, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten Friedrich Ritter sowohl eine mystische, tragische und ideologisch geprägte Person gewesen sein muss und die eine der ersten Siedler auf Floreana war, schrieb 1934/35 das Buch mit dem vielsagenden Titel „Satan came to Eden“, das vielfach als Vorlage für Film und Bücher genutzt wurde. 

Der von Werner Köhler nach Floreana geschickte Steen ist ein später Aussteiger, schon vierundsechzig Jahre alt. Er verwandelt sich alsbald von einem braven, konservativen Angestellten in einen Naturburschen, der versucht, in der Wildnis zu überleben. Dabei segelt er unter dem Radar der Behörden und entwickelt sich immer mehr zum Sonderling. Plötzlich werden seine Handlungen irrational, der Stil des Romans ändert sich, wird fast hektisch, sehr einfacher Schreibstil, obwohl Köhler anfangs bewies, dass er es besser kann, eine Action folgt nun auf die nächste, es fällt schwer, sie alle zu kaufen. Aber so sieht Steen die Inselwelt. Er nimmt sich, was er braucht und wirft alle ethischen Grundsätze über Bord. Man darf annehmen, dass die veränderte Farbe der Erzählung, die fortschreitende psychische Veränderung Steens aufnimmt und die folgenden Geschehnisse die Lesart Steens darstellen. Dichtung und Wahrheit. Mehr Dichtung. 

Der Kommentar: 
Werner Köhler verschränkt zu Anfang recht geschickt die Stränge der beiden so unterschiedlichen Aussteigergeschichten miteinander und ineinander.

Einerseits ist da der Mythos um die ersten Siedler: Sind sie ermordet worden, was für Dramen haben sich auf Floreana abgespielt, was hat die Leute damals angetrieben, was waren es für Menschen - andererseits, gilt es für die Leser, das Aussteigermotiv Harald Steens, das nicht offen zutage liegt, allmählich zu entschlüsseln. 

Haben wir zu Anfang wunderschöne Naturbetrachtungen und eine gemächliche Gangart des Romans, eine schöne Sprache mit detailreichen Beobachtungen, wird der Roman zusehends schwammiger, denn wir folgen nun der eigenwilligen Wahrnehmung des Protagonisten. Wir wissen bald nicht mehr, was wir ihm glauben können und was nicht. Seine Handlungen sind sprunghaft, unlogisch und unethisch. Oder gar nicht passiert. Hat er noch die Kontrolle über sein Leben?

Die Story an sich wäre eigentlich recht interessant. Die erzählerischen Mittel, sie an die Leser zu bringen, sind allerdings nicht allzu üppig vorhanden, show don’t tell wird kaum oder gar nicht berücksichtigt. Informationen werden über Gespräche mit Herrn Hund oder in langatmigen Gesprächen mit Inselbewohnern (das alte Spiel: Frager/Antworter) transportiert. Die Dialoge sind leider auch ziemlich hölzern. 

Der Autor gefällt sich darin, den Leser zu verwirren. Was passiert wirklich? Ist Steen eine Figur, die psychisch verfällt; sind seine Motive auf die Insel zu kommen, fragwürdig, einer Obsession entsprungen? Oder ist alles real? 

 Da der Autor natürlich auch nicht weiß, was damals wirklich passiert ist, und über die Mysterien von damals nur mutmaßen kann, muss er am Ende ebenso nebulös bleiben wie alle anderen, die das Thema vor ihm literarisch ausgebeutet haben. 

Der Roman steht und fällt damit, wie man die Charakterisierung Harald Steens beurteilt. Meines Erachtens ist mit dem Verzicht auf dessen Eindeutigkeit der Roman hintenüber gefallen. Dabei fing er so gut an. 

Das Ende des Romans bedarf eingehender Interpretation. 

Fazit: Die Idee ist gut, die Ausführung lässt durchaus Luft nach oben! Das Ende ist wichtig, man darf es nicht in den luftleeren Raum stellen. Sonst purzeln die Sterne. 

Verlag: Kiepenheuer und Witsch, 2022
Kategorie: Gute Unterhaltung

Kommentare

katzenminze kommentierte am 25. Februar 2022 um 11:44

Ich dachte du liest SuB, aber das ist ja brandneu! Sieht gar nicht so aus. ;) Schade, dass es so nachgelassen hat. Ich mag auch lieber show als tell.

wandagreen kommentierte am 25. Februar 2022 um 21:07

ich mache beides, Minzi. Die letzen Jahre hab ich nur Neues gelesen. Jetzt teile ich gut auf.