Rezension

Ein berührender Kampf um das eigene Selbst, der vom Moment lebt

Mein Leben ohne Gestern - Lisa Genova

Mein Leben ohne Gestern
von Lisa Genova

Inhalt
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Alice ist blitzgescheit und liebt es, ihr Wissen mit jungen aufstrebenden Studenten zu teilen. Sie lehrt kognitive Psychologie an der Harvard Universität und genießt weltweit einen bemerkenswerten Ruf. Mit 50 Jahren hat sie all ihre Ziele erreicht, sowohl Erfolg im Beruf, als auch eine glückliche Familie zu haben. Doch von Tag zu Tag beginnt sie, zunächst die einfachsten Dinge zu vergessen. Kleinigkeiten, die jedem passieren könnten, auch der hochintelligenten Alice. Sie schiebt es zunächst auf die Wechseljahre, die Symptome passen. Es wird jedoch nicht besser, bis sich Alice eines Tages der Diagnose stellen muss: eine frühzeitig einsetzende Form von Alzheimer. 

Mein Eindruck
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"Mein Leben ohne Gestern" ist ein Buch, das ich völlig zufällig entdeckt habe. Es ist nicht unbedingt mein Beuteschema, doch schon mit der Leseprobe hatte mich die Autorin am Haken. Hauptfigur Alice hat mich von Beginn an in ihren Bann gezogen, hat mich durch ihre Augen blicken und ihre Geschichte durchleben lassen. Eine traurige, schmerzliche und gleichzeitig wunderschöne Erfahrung.

Alice ist hochintelligent, deshalb dauert es seine Zeit, bis auch ihre Mitmenschen merken, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Ein Arzt erklärte, wenn ein normal intelligenter Mensch etwa 10 Synapsen für einen Vorgang zur Verfügung hat, hat Alice um die 20. Alzheimer zerstört diese Synapsen und sorgt dafür, dass zunächst das Kurzzeitgedächtnis abbaut, bis schließlich die selbstverständlichsten Erinnerungen verschwinden. Es ist die Geschichte einer Frau, die versucht eine Krankheit zu meistern, gegen die sie nie eine Chance hatte.

Als Leser befinden wir uns in ihrer Gefühlswelt. Durchleben ihr analytisches Denken, ihr wissenschaftliches Arbeiten und ihre Leidenschaft für die Lehre. Und dann erleben wir hautnah den Verfall. Man fühlt mit ihr, wenn sie einen Vortrag hält und ihr das Thema nicht mehr einfallen will, obwohl sie es kurz zuvor noch vorbereitet hatte. Man fühlt mit ihr, wenn sie auf einer Jogging-Runde einsam und verloren an einer Kreuzung steht und nicht mehr weiß, wo ihr zu Hause liegt. Man lacht mit ihr, wenn sie ein Buch in der Mikrowelle wiederfindet. Man weint Tränen mit ihr, wenn sie erkennt, dass sie sich Stück für Stück verliert und nichts dagegen tun kann. 
Im Mittelpunkt steht Alice, doch auch aus ihrer Sicht bemerkt man nur allzu deutlich, was die Krankheit für ihre Familie bedeuten muss. Allen voran ihr Mann und ihre drei Kinder, die selbst das zerstörerische Gen in sich tragen könnten. Sie begleiten Alice bei ihrem aussichtslosen Kampf. Doch das macht ihn nicht sinnlos. Wie Alice so schön sagt, auch wenn sie die Ereignisse hinterher wieder vergisst, hat sie den Moment selbst vollauf durchlebt.
 
Fazit
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Alice hat mich zum Lachen gebracht und zu Tränen gerührt. Sie hat mich mit dem Buch so fühlen lassen, als wäre ich selbst ein Teil der Geschichte gewesen. "Mein Leben ohne Gestern" ist ein perfektes Beispiel dafür, was passiert, wenn es einem Autor gelingt, eine Figur wahrlich zu erschaffen. Er leistet die Vorarbeit, während der Leser ihr Stück für Stück selbst das Leben einhaucht. Mit jeder Silbe, die er liest. Ein Buch, in dem gegen das Vergessen gekämpft wird und das selbst hoffentlich nie vergessen wird.