Rezension

Ein fesselnder Roman zwischen Tradition und Moderne

Töchter des Nordmeeres – Livs Weg -

Töchter des Nordmeeres – Livs Weg
von Ines Thorn

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Rowohlt Verlag erscheint der historische Roman "Töchter des Nordmeeres – Livs Weg" von Ines Thorn. Norwegen, 1893: Auf Veiholmen, im Norden der Inselgruppe Smola, wurden vor 15 Jahren zwei Säuglinge ausgesetzt, die von den Bewohnern angenommen wurden. Es liegt der Verdacht nahe, dass sie Schwestern sein könnten, dabei sind sie grundverschieden und haben konträre Vorstellungen von ihrem Leben. Lucia träumt von einer traditionellen häuslichen Rolle als Ehefrau. Liv dagegen, ist wissbegierig, interessiert sich für die Tiere und die Wissenschaft und setzt nach einem Treffen mit dem Polarforscher Fridtjof Nansen alles daran, den für Frauen ungewöhnlichen Weg eines Studiums aufzunehmen.

 

 

 

Diesen Roman habe ich angelesen und konnte ihn nicht wieder aus der Hand legen. Es ist eine fesselnde Geschichte über zwei Findelkinder, die in unterschiedlichen Familien groß wurden und nun ihren Weg im Leben gehen wollen. Die Geschichte entwickelt einen fesselnden Sog und spielt mit der nordischen Atmosphäre und dem Rollengefüge der damaligen Zeit.

Liv ist ganz anders als die Mädchen im Ort, sie ist wissbegierig und erstaunlich intelligent, interessiert sich für Vögel und die Natur und untersucht Kleinstlebewesen unter dem Mikroskop. Der Traum von einem Studium treibt sie an und damit ist sie das ganze Gegenteil der häuslichen Lucia, die stickt, kocht und für die Führung eines Haushaltes vorbereitet wird. Als der junge Lasse in den Ort kommt, interessieren sich beide junge Frauen für ihn und ihre Freundschaft wird auf die Probe gestellt.

Livs Ziehvater ist ein Same, der sich rührend um Liv kümmert und die Familie stets gut bekocht. Der Rabe, Livs Lieblingsvogel, gilt bei den Samen als Glücksbringer. In der Handlung werden die Vorurteile der Bewohner Veiholmens gegenüber der samischen Volksgruppe sichtbar. Leider erfährt man kaum etwas über das traditionelle Leben der Samen.  

Ines Thorn lässt ihre Leser in das Leben auf einer kleinen Insel Norwegens vor 1900 eintauchen, sie beschreibt die nordische Kulisse, die Landschaft und das Leben der Bewohner. Das Frauenbild der damaligen Zeit war geprägt vom Haushalt und der Versorgung der Familie. Die schulische Ausbildung endete mit jungen Jahren in der Verheiratung. Doch die Intelligenz und die Wissbegier einiger Frauen war nicht zu stoppen, genau wie Liv, die sich für die Wissenschaft interessiert und nach der Begegnung mit dem Polarforscher Fridtjof Nansen unbedingt studieren möchte. Mutig und mit ganzer Kraft strebt sie nach diesem Ziel und wird von ihrer Familie und Freunden unterstützt. Diese familiäre Bindung verliert sie aber sie aus den Augen und setzt dabei sogar fast ihre Zukunft aufs Spiel.

Der einnehmende, ruhige Erzählstil passt in Kombination mit der bewegenden Entwicklung der Charaktere hervorragend zur Story. Dieser Roman versetzt vor der nordischen Kulisse hautnah in eine Zeit, in der Frauen noch viel mehr um ihren Lebenstraum kämpfen mussten.

Ein eindrücklicher, fesselnder Roman, der mich von Anfang bis Ende gepackt hat.