Rezension

Ein fragmentierter Roman, der allmählich zusammenwächst

Wandering Souls -

Wandering Souls
von Cecile Pin

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein fragmentierter Roman, der allmählich zusammenwächst.

Als ich im Mai Der Gesang der Berge von Nguyễn Phan Quế Mai las, musste ich – auch wenn es um sie in dem Roman nicht ging – oft an die Boatpeople denken, die mir aus meiner Kindheit noch von Fernsehberichten unauslöschlich in Erinnerung geblieben sind. Die in dem Buch geschilderten Schrecken und politischen Entgleisungen, denen die Bevölkerung ausgesetzt war, machten die Flucht der rund 1,6 Millionen Vietnamesen nachvollziehbar, die in den 1970er und 1980er Jahren über das südchinesische Meer ins Ausland zu gelangen versuchten.

An diesem Punkt setzt „Wandering Souls“ von Cecile Pin an. Es handelt sich dabei um ihren ersten Roman, der in Teilen auf ihrer eigenen Familiengeschichte basiert. Sie erzählt darin die Geschichte von drei Geschwistern, die nach Ende des Vietnam-Krieges Ende der Siebzigerjahre mit ihrer Familie fliehen und in einem Lager in Hongkong stranden, wo sie vergeblich auf ihre Eltern und die anderen Geschwister warten. Plötzlich ist die sechzehnjährige Anh für ihre beiden jüngeren Brüder verantwortlich und muss sich mit ihnen nicht nur in einem fremden Land zurecht finden, sondern auch noch die Rolle einer Erwachsenen übernehmen.

Cecile Pin schildert anschaulich die Sorgen und Nöte, in die ihre Protagonisten geraten und doch kommt man ihnen in diesem Roman nicht wirklich nah. Denn die Geschichte der drei Geschwister wird in nicht immer linearen Zeitsprüngen erzählt und dabei immer wieder von anderen Texten unterbrochen, die mich anfangs ein wenig verwirrten. Gelegentlich meldet sich der Geist von Dao, dem kleinen toten Bruder, zu Wort; es gibt einen Zeitungsbericht über Vietnamesische Flüchtlinge, die von einer thailändischen Insel gerettet wurden; außerdem findet man den Brief der Premierministerin Margaret Thatcher an die Familie Nguyen, aber es gibt auch Akten der Downing Street, die Thatchers Abneigung gegen die Aufnahme vietnamesischer Flüchtlinge dokumentieren. Daneben kommt die Autorin gelegentlich selbst zu Wort. Ein Lesefluss will hierbei nicht so recht entstehen und manchmal ist es auch ein wenig sperrig, den Anschluss an die eigentlich erzählte Geschichte zu finden.

Und doch schafft es die Autorin, dass dieser fragmentierte Roman allmählich zusammenwächst und neugierig macht. Wissenslücken wollen außerhalb des Buches (Glossar vorhanden) geschlossen werden und regen zum Weiterforschen und staunen an. Chancen und Risiken der Flucht werden erkennbar. Gefühlswelten der geflüchteten Geschwister im fremden Land (England) werden nachvollziehbar und regen zum Weiterdenken an. Eigentlich genau das, was ein gutes Buch ausmacht und sicherlich ein insgesamt gelungener Debüt-Roman. Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Autorin weiter entwickelt.