Rezension

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Ein Jugendbuch nicht nur für Jugendliche, der erwachsene Leser wird ebenso berührt und emotional sich angesprochen fühlen.

Ich bin die, die niemand sieht - Julie Berry

Ich bin die, die niemand sieht
von Julie Berry

Lottie war fünfzehn, als sie verschwand.

Judith war vierzehn.

Nach ein paar Jahren taucht Judith wieder auf.

Und die Wahrheit um das Verschwinden, den Tod von Lottie, wird die Dorfbewohner wie ein Glockenschlag treffen.

Die Wahrheit um was genau?

Was war geschehen in den vergangenen Jahren?

Doch Judith kann ihnen nicht die Wahrheit sagen. Zum einen hatte der Entführer ihr ein Stück Zunge abgeschnitten, damit sie nicht redete und ihn verriet, zum anderen war es ihre Mutter, die diese lallenden Worte nicht hören wollte.

Nein, sie verbot es regelrecht Judith, zu sprechen.

So wird sie zu einer Außenseiterin in der Gemeinde.

Aber eines kann man ihr nicht nehmen, ihre Beobachtungen, die Wahrnehmung der Leute und vor allem, was war aus ihrer Liebe zu Lucas geworden?

Auf eine ungewöhnliche Art beginnt das Buch. Nach einem ausführlichen Kapitel folgen kurze, wenige Sätze wie z. B.

„S. 28 – XVIII

Am Morgen kehre ich nach Hause zurück. Mutter schlägt mich so festg, dass sogar Darrel Mitleid hat.

»Gerade du solltest es besser wissen«, sagt sie. » Nach all den schlaflosen Nächten, die ich wegen dir hatte!«

Die Geschichte ist in der Ich-Erzählperspektive von Judith geschrieben. Diese Stimme, so emotional und manchmal so hilflos, das ist Judith.

Und immer wieder die Frage, wer hat Lottie ermordet? Es sind viele Bruchstücke, die sich mehr und mehr zu einem Stück zusammenfügen. Für den Leser anfänglich eine kleine Herausforderung, aber es braucht nicht viel, um in dieser so außergewöhnlich wie auch dramatisch geschriebenen Geschichte einzutauchen. Vergangenheit und Gegenwart, sie greifen wie Zahnräder nahtlos ineinander. Die Geschichte der „stummen“ Judith, erst als es um ihr und das Leben von Lucas geht, bricht sie das Schweigen dank Goody Pruett, der rettende Engel. Endlich soll und muss das dunkle Geheimnis der Gemeinde an die Oberfläche gebracht werden.

Am Schluss des Buches wird vom Inhalt einer hölzernen Truhe geschrieben, es war einmal die Kiste von Judiths verstorbenen Vater. Inhalt: Handtücher, Laken, alles feine Näharbeiten ihrer Mutter und dazwischen ein Quilt, ebenfalls Handarbeit. Und genauso wie die Zusammensetzung des Quilts ist das Buch aufgebaut, Stück für Stück zusammengesetzt, und das Endergebnis ein außergewöhnlich, für mich einzigartig.

Vieles in dem Buch bzw. der Handlung waren ausschlaggebend, nicht zu viel hierüber zu schreiben bzw. offen zu legen. Es gibt so viele Personen, Charaktere, die man im Laufe der Geschichte kennenlernt, doch über all dem steht die Hauptprotagonistin, Judith.

Fakt ist,

das Julie Berry mit „Ich bin die, die niemand sieht“ ein außergewöhnliches Jugendbuch geschrieben hat. Meine Leseempfehlung nicht nur für Jugendliche,  der erwachsene Leser wird ebenso berührt und emotional sich angesprochen fühlen.

Ein Lesehighlight auf jeden Fall.