Rezension

Ein klarer Mittelteil - aber Spaß macht er doch!

Angelfall 02 - Tage der Dunkelheit - Susan Ee

Angelfall 02 - Tage der Dunkelheit
von Susan Ee

Bewertet mit 4 Sternen

Mittelteile haben es nicht leicht. Wie Sandwichkinder klemmen sie zwischen dem vielbewunderten, großen Bruder ‚Auftaktband’, der die Richtung vorgibt und der niedlichen kleinen Schwester, dem ‚Finalen Happy End’.

Mittelteile haben den undankbaren Job, die Brücke zwischen Anfang und Ende einer Geschichte zu schlagen. Häufig drängt sich den Lesern dabei allerdings das Gefühl auf, man hätte auf diesen Teil des Weges gut verzichten können. Aber irgendwie haben wir unsere literarischen Figuren ja doch liebgewonnen und freuen uns, sie wiederzusehen. Dann also eben eine Trilogie. Dann also ein Mittelband. Dann also „Angel Fall – Tage der Dunkelheit“, der Prototyp eines Mittelbandes. Die Erkenntnisse sind minimal, fast keine Szene fühlt sich notwendig an. Es gibt viel Action, viele Trennungen, viele Wiedersehen. Am Ende ist man über die eingangs erwähnte Brücke gegangen, fragt sich, ob das wirklich notwendig gewesen ist und wartet wie bestellt und nicht abgeholt auf den dritten Teil. Das ist etwas unbefriedigend, ja. Und man fühlt sich durchaus veräppelt. Und trotzdem – meine ganz persönliche Meinung – ist „Angel Fall – Tage der Dunkelheit“ ein guter Mittelteil! Auch wenn man wieder bei Null beginnt.

Rückblick: Engel Raffe und die Schwestern Penryn und Paige sind nach dem Kampf aus dem Horst der Engel entkommen. Tragischerweise glaubt Raffe, Penryn sei tot. Er trägt ihren leblosen Körper zu der kleinen Gruppe flüchtender Rebellen, darunter Penryns Mom, und fliegt mit seinen neuen, schwarzen Dämonenflügeln davon. Denn, wir erinnern uns: Bösewichtengel Beliel hat Raffes weiße Flügel abgeschlagen. Gewaltsam wurden ihm dann die schwarzen Flügel angenäht. Der zweite Teil beginnt, als Penryn, die lediglich durch den Stich eines Monsterskorpions in eine todesähnliche Starre gefallen ist, zu sich kommt. Und dann wird es auch schon schwer, wichtige Ereignisse zu finden.

 Trotzdem fühlte sich die Fortsetzung für mich von der ersten Seite an wie eine Heimkehr. „Angel Fall - Fürchtet Euch nicht“ (die Taschenbuchausgabe läuft übrigens unter dem neuen Titel „Nacht ohne Morgen“) habe ich vor Jahren gelesen und war geflasht von dem zusammen gehackten Mix aus Horror, Fantasy, Dystopie und Humor – vor allem der Humor! Und natürlich Raffe! Klar. Und Penryn. Beide zusammen. Das Buch sticht aus der Masse der YA-Fantasyromane heraus, durch den witzigen Erzählstil, die ungewöhnlichen Figuren und den Mut auch mal richtig böse zu sein.

 Susan Ee folgt dieses Mal wieder einem ähnlichen Aufbau. Und das bedeutet, wir dürfen in Teilen noch einmal Raffe und Penryn kennenlernen. Es klingt möglicherweise etwas lächerlich, ist aber eigentlich cool gelöst. Raffes Schwert entwickelt eine eigene Persönlichkeit, beginnt mit Penryn zu kommunizieren und zeigt ihr in Flashbacks Szenen aus der Vergangenheit, quasi Raffes Sicht der Dinge. Ein unterhaltsames Puzzle und einige hübsche Déjà-vu.

Die gesamte Story ist ja von Beginn an wie ein Road-Trip aufgebaut und lebt davon, dass Dinge verloren gehen und wiedergefunden werden. So ist es auch hier. Jagten Penryn und Raffe im ersten Teil Raffes Engesflügeln und Penryns Schwester Paige nach, so geht in der Fortsetzung (praktischerweise) abermals Paige verloren und natürlich wartet das LeserInnenherz auf das große Wiedersehen zwischen Penryn und Raffe, für das sich Susan Ee sehr, sehr, sehr, sehr lange Zeit lässt. Dazwischen gibt es viel Action und leider auch einige Deus-ex-machina-Momente.

 Warum funktioniert das Ganze trotzdem?

Ganz einfach: Susan Ee ist eine tolle Erzählerin und bringt ihre Protagonisten durchgehend in Schwierigkeiten, die sich spannend lesen lassen. UND: „Angel Fall“ ist weiterhin eine wirklich ungewöhnliche Geschichte. Die Reibungen zwischen Penryn und Raffe machen Spaß, auch wenn sie dieses Mal auf sich warten lassen und zu schnell von dem Schlussakt überrollt werden. Die Nebenfiguren, vor allem Penryns kleine Schwester Paige, die von einem Arzt auseinandergenommen und wieder grob zusammengesetzt wurde, treffen mitten ins Herz und Susan Ees Humor nimmt die junge Leserschaft an die Hand und führt sie gekonnt durch Blut und Fleischbrocken, um das Entsetzen in Grenzen zu halten. Sehr Zartbesaitete sollten von der Trilogie wohl trotzdem Abstand nehmen.

Ich hätte mir ein wenig mehr gewünscht, ja. Wie so häufig bei Mittelbänden. Mehr Paige, mehr Raffe-und-Penryn, mehr Weltuntergang, mehr Erklärungen. Trotzdem habe ich das Buch ausgesprochen gerne gelesen und meine Erinnerungen aufgefrischt. Im Finale sollte Susan Ee nun aber zum ultimativen Schlag ausholen. Ich hoffe sehr, dass sich die Glättungen der Twists, die sich teilweise anbahnen nicht zu der ultimativen Weichspülwelle aufbauen, die dann über alles Gewesene hinwegfegt. Ich hoffe, Susan Ee bleibt ihrem Stil treu. Über die Mittelband-Brücke bin ich trotz einiger Enttäuschungen ausgesprochen gerne gegangen. Jetzt aber muss es heißen: Apokalypse now!