Rezension

Ein Krimi den das Leben schrieb, aber kein Thriller im klassischen Sinne

True Crime - Sam Millar

True Crime
von Sam Millar

Bewertet mit 4.5 Sternen

Sam Millar hat einen außergewöhnlichen, preisgekrönten Thriller geschrieben, in dem nichts erfunden ist. Schonungslos offen erzählt Millar von einer Jugend auf den Straßen von Belfast, die früh ins Gefängnis führt; vom jahrelangen Kampf um die eigene Würde - und von einem Verbrechen, mit dem er Geschichte schrieb. Diese Geschichte beginnt im Norden Belfasts: Dort wird 1955 Sam Millar geboren, der Vater Protestant, die Mutter Katholikin. Der Riss, der ganz Irland teilt, geht mitten durch Sams Familie. Sam geht früh von der Schule ab und arbeitet in einem Schlachthof. Als Teenager schließt er sich der IRA an, bis er eines Nachts von der Polizei aus seinem Bett gerissen wird. Es folgen Jahre im härtesten Knast Europas. Nach seiner Entlassung geht Sam Millar nach New York, wo er einen Comicladen eröffnet, sich in Spielkasinos herumtreibt und schließlich einen verwegenen Plan ersinnt: den Überfall auf das Gelddepot der Firma Brink's, mit dem Sam Millar Kriminalgeschichte schreibt.

 

Gleich vorweg….wer hier einen Thriller im klassischen Sinne erwartet, wird enttäuscht sein. Es handelt sich um die autobiographische Erzählung Sam Millers, dessen Lebensweg einem Krimi gleicht, den sich kein Autor ausdenken könnte.

Wer also einen Krimi lesen möchte, den nur das reale Leben schreiben kann, der wird sicherlich nicht enttäuscht.

 

Schonungslos lässt Sam mich an seinem Leben teilnehmen und meine Gefühle schwankten von Mitleid zu Fassungslosigkeit, Wut, Entsetzen und Ungläubigkeit.

 

Schon in seiner Kindheit musste Sam einiges verarbeiten. Er wohnt in einer eher ärmlichen Gegend und ist das Kind eines Protestanten und einer Katholikin. Dies allein reicht zu dieser Zeit in Nordirland schon aus um für Spannungen zu sorgen.

In seinem Elternhaus erfährt er keine Geborgenheit und ist auf sich alleine gestellt. Als Leser konnte ich erahnen, wie es in ihm aussah und mein Mitleid wuchs. Durch ein Missverständnis landet er in Long-Kesh, dem gefürchteten Gefängnis.

Die Zustände die Sam dort beschreibt, sind einfach nur menschenunwürdig und menschenverachtend. Leider bleibt er nach seiner Entlassung nicht lange in Freiheit sondert wandert wieder ein und wird diesmal zu 10 Jahren verurteilt.

Nun wandert er in die gefürchteten H-Blocks. Was Sam hier erlebt erinnert mich an Auschwitz und Guatamo. Wärter, die das Wort Mensch nicht verdient haben und einfach nur Spaß am quälen haben. Für mich ist es unvorstellbar wie ein Mensch diese Folter, Qualen und Erniedrigungen über so viele Jahre überleben konnte. Doch er hat es geschafft.

Nach seiner Entlassung geht Sam nach New York. Hier ist ein Punkt, den ich nicht nachvollziehen kann doch das ist seine Lebensgeschichte. Statt sein Leben nun in ruhigere Bahnen zu lenken und einen Neuanfang zu starten fängt er in einem zwielichtigen Spielcasino an und begibt sich so wieder in die Kriminalität.

Irgendwann kommt ihm der irrwitzige Gedanke doch mal eben das Gelddepot von Brink´s zu überfallen. Damit geht er in die Kriminalgeschichte ein.

Am meisten beeindruckt hat mich die Frau im Hintergrund. Sie kam nie zu Wort und war dennoch präsent. Eine starke Frau!!!

Ein Krimi den wirklich nur das Leben schreiben kann. Der aufwühlt und sich die Frage stellt zu was ein Mensch alles fähig ist. Was kann er alles erleben und überleben und dennoch heute ein „normales“ Leben leben? Bis zum nächsten tollen Einfall? ;-)

Sam ist trotz seiner kriminellen Vergangenheit für mich ein Mann der zu seinen Idealen und Überzeugungen steht und mich auf eine gewisse Art beeindruckt hat. An manchen Stellen des Weges hätte er eine andere Abzweigung nehmen sollen. Doch so ist das Leben. ;-)