Rezension

Ein Krimi der Extraklasse: spannend, tiefgründig, brandaktuell

Inspektor Takeda und die stille Schuld -

Inspektor Takeda und die stille Schuld
von Henrik Siebold

Bewertet mit 5 Sternen

Großartiger Krimi, perfekte Mixtur: Ermittlungsarbeit, Privates, gut gezeichnete Figuren, Gesellschaftskritik, Aktualität, Spannung

Nachdem ich die Vorgängerbände alle kenne, habe ich nur darauf gewartet, dass der sympathische Takeda, Austausch-Kommissar aus Tokyo, wieder in Aktion tritt. Und ich wurde nicht nur nicht enttäuscht, sondern äußerst angenehm überrascht. Für mich ist dies der bisher beste Band der Reihe.

Kenjiro Takeda und seine Hamburger Kollegin Claudia Harms – die mehr als nur Kollegialität miteinander verbindet – werden zu einem schrecklichen Fall von Brandstiftung gerufen, in eine Seniorenresidenz, wo neun alte Menschen ums Leben gekommen sind. Kurz danach gibt es einen erneuten Fall in einem Privathaus, bei dem auch zwei alte Menschen sterben.

Claudia und Takeda finden in Gesprächen viel heraus: aus jedem ergibt sich einen neue Spur, die verfolgt wird. Seltsamerweise war in allen Fällen ein Pflegeroboter namens Lisa eingesetzt und so verwundert es nicht, dass die Themen Pflegenotstand und Altenbetreuung durch Maschinen eine große Rolle spielen. Im folgenden ein paar Zitate von Beteiligten:

'In was für einer Welt leben wir eigentlich, wo sich Maschinen um Alte kümmern?' - 'Lisa zu begegnen heißt, der Zukunft zu begegnen.' (99) - 'Seniorenbetreuung ist Big Business' (127) - 'Käfighaltung für Senioren, mit maschineller Betreuung' (230) - 'Wie kalt muss eine Gesellschaft sein, die die Menschen in ihren letzten Jahren einer Maschine überlässt?'

Und natürlich wird Kritik an der Behandlung des Pflegepersonals geübt, dass deren Arbeitsumstände immer schlechter werden, dass es immer mehr Zeitdruck gibt. Ich füge an: Und zu wenig Bezahlung – und das für einen eigentlich schönen Beruf. Wenn das nicht brandaktuell ist!

Im Laufe ihrer Ermittlungen sind Claudia und Takeda auch mit den Themen Robotik und Künstliche Intelligenz konfrontiert und treffen den seltsamen Dr. Nakamura, der für die Entwicklung des Pflegeroboters Lisa verantwortlich ist.

Für den Leser ergeben sich lauter interessante Fragen, nicht nur ob eine Maschine einen Menschen ersetzen kann, sondern auch profanere wie z.B. ob die Beziehungsprobleme zwischen Takeda und Claudia wieder in Ordnung kommen, ob jemand Lisa zerstören will oder ob Roboter Lisa die Mörderin ist.

Zum Ende hin – wie es sich für einen richtigen Krimi gehört, spitzt sich die Situation bis zu einem Showdown immer weiter zu.

Das ist nun ein Krimi, den man mit Bedauern zuklappt, der noch ein wenig nachhallt und wo man alle beneidet, die das Lesen noch vor sich haben.

Zitate

Anfügen möchte ich noch einiges, denn selten habe ich in einem Krimi so viele Stellen mit interessanten Zitaten markiert:

Takeda, über einen Jazz-Musiker: 'Er ließ Melodien, sogar einzelne Töne funkeln wie einen Kiesel im Matsch des Lebens. Er hatte den Blick fürs Besondere im Gewöhnlichen, für die Schönheit im Hässlichen, für die Hoffnung in der vollkommenen Verlorenheit' (233).

Wunderbar, aber auch traurig: 'Das Paradox der Einsamkeit. Der Mensch, der nicht mehr da war, war so sehr da, wie er es nicht war, als er noch da war.' (234)

'Lieber alleine als beschissen zu zweit.' (235)

'… eine spezielle Art von japanischer Magie, als könnte ein neues Wort die Wirklichkeit kaschieren, obgleich jeder wusste, wie sich die Dinge in Wahrheit verhielten. (280) – Das passt auch zur manchmal übertriebenen 'political correctness'.

'Den meisten Mänenrn tut man einen Gefallen, wenn man ein paar Verbesserungen vornimmt,' meint Claudia ;-) 323

'Man braucht die Fähigkeit, nichts zu sagen, obwohl man recht hat. Das ist der einzige Weg, um mit den Menschen klar zu kommen.' (323)

Fazit / Meine Meinung

Ich habe selten einen so spannenden, niveauvollen und gesellschaftskritischen Krimi mit gut gezeichneten Personen gelesen. Er bietet die richtige Mischung aus polizeilicher Ermittlung, Spurensuche, Privatem und Gesellschaftskritischem.