Rezension

Ein Roman, der das Herz berührt

Meine Schwester, die Hummelkönigin - Patrizia Zannini

Meine Schwester, die Hummelkönigin
von Patrizia Zannini

Ally kehrt nach über zehn Jahren in ihren Heimatort Bear Isle zurück, mit einem traurigen Hintergrund. Ihre Mutter ist bei einem Unfall tödlich verunglückt und ihre Schwester Emma ist anders, irgendwie „besonders“, mit all ihren kleinen Ticks. Doch sie benötigt ständige Obhut und ist nicht fähig ein selbstständiges Leben zu führen. Schon in ihrer Kindheit hatten die beiden Schwestern eine schwierige Beziehung. Ally musste häufig auf ihre Schwester Rücksicht nehmen und fühlte sich erdrückt von der familiären Situation. Schließlich flüchtete sie in die Metropole L.A. um sich dort eine Perspektive aufzubauen.

Bei ihrer Ankunft auf der kleinen Insel muss Ally feststellen, das sich nichts geändert hat. Das Dorf lebt von der Hummerfischerei und seinen zahlreichen Blaubeerfeldern. Die Gemeinschaft ist fest strukturiert und nichts kann sie in ihren Grundfesten erschüttern. Ally wird herzlich empfangen und doch spürt sie eine leichte Brise an Vorwürfen. Sie verließ damals nicht nur ihre Familie sang-und klanglos, sondern auch ihre Freunde.

Eigentlich wollte sie nur zwei Wochen bleiben, um die wesentlichen Dinge zu klären. Jedoch wächst sie mit ihrer Schwester Emma immer mehr zu einer Einheit zusammen. Bringt es Ally tatsächlich über`s Herz sie einem Heim zu überlassen. Ally wird noch so manche Prüfung auferlegt und es bleibt nicht aus, das sie ihr Leben überdenkt. Liegt ihr Schicksal nicht doch in Bear Isle?

„Von zweiten Chancen und kleinen Wundern, die das Leben schreibt.“(Zitat Klappentext)

Dieser Satz beschreibt den Roman in wenigen Worten sehr treffend. Mit dem Buch „Meine Schwester, die Hummelkönigin“schuf die Autorin Patrizia Zannini ein wundervolles Werk über den Wert jedes einzelnen Individuums und dem Sinn des Lebens an sich.

Schon zu Beginn wird klar, hier wird eine sensible Geschichte erzählt. Berührend, bereichernd, komisch und traurig zugleich. Die Zwischenmenschlichkeit nimmt hier eine sehr große Rolle ein. Bear Isle ist ein Städtchen in dem sich wohl jeder zuhause fühlen würde. Nicht nur die atemberaubende Natur zeichnet diesen Ort aus, sondern auch seine Bewohner, die stets mit Gastfreundlichkeit, Nächstenliebe, Toleranz und Hilfsbereitschaft glänzen.

Die Beziehung zwischen Ally und Emma ist mit viel Feingefühl beschrieben und berührt die Seele. Man erhält einen authentischen Einblick beider Seiten und ruft Empfindungen hervor ohne sie zu werten. Vor allem die Retrospektiven aus Ally`s Kindheit hinterlassen eine bedrückende Atmosphäre. Ally wurde zu wenig in das Krankheitsbild ihrer Schwester eingeweiht. Die Mutter wollte einen inneren und äußeren Schein wahren und entfremdete so unbeabsichtigt die beiden Schwestern. Man spürt gleich zu Beginn die Zerrissenheit von Ally. Emma ist ihr fremd und vertraut zugleich. Das was sie in den zehn Jahren versäumte holt Ally nun nach und taucht ein in Emma`s eigene Welt. Sie lernen Rücksicht zu nehmen und Verständnis aufzubringen. Und auch wenn Emma`s Leben bestimmt ist, von strengen Abläufen und festen Strukturen, gelingt ihr jeden Tag ein kleiner Schritt in Richtung Eigenständigkeit.

Der Autorin bricht immer wieder die teils melancholische Stimmung auf und zaubert dem Leser, ohne viel Aufsehens, ein Lächeln ins Gesicht.

Emma steht hier für alle „besonderen“ Menschen mit Handicap, das sie das Leben ihrer Familie und Freunde bereichern können und ihnen hilft, die Welt von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten. Man muss ihnen die Chance gewähren, sich selbst Flügel wachsen zu lassen.

Dafür gibt es ein schöne Anmerkung in diesem Roman, der auch auf Emma`s Leidenschaft für Hummeln anspielt.

„Die Hummel hat 0,7cm² Flügelfläche und wiegt 1,2 Gramm.Nach den Gesetzen der Aerodynamik ist es unmöglich, bei diesem Verhältnis zu fliegen. Die Hummel weiß das nicht und fliegt einfach.“

 

5 Sterne für diese bezaubernde Lektüre.