Rezension

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Ein ruhiger Krimi

In der Stille der Tod - Lieneke Dijkzeul

In der Stille der Tod
von Lieneke Dijkzeul

Bewertet mit 4 Sternen

Asli Verkallen meldet ihren Mann Richard bei der Polizei als vermisst. Die junge Frau ist vollkommen aufgelöst. Hatte ihr Mann einen Unfall? Wurde er Opfer eines Verbrechens? Oder hat er wirklich eine Geliebte, mit der er durchgebrannt ist, wie die Polizei vermutet? Mit einem Mal geraten alle Gewissheiten in Aslis Leben ins Wanken. Doch ihre größte Sorge gilt ihrem Sohn: Keja ist dreizehn Jahre alt, Autist und kam ohne Gehör zur Welt. Wer würde ausgerechnet ihm den Vater nehmen? Ein vorsätzliches Verbrechen scheint undenkbar. Eine erste Spur führt Kommissar Paul Vegter und seine Kollegen zu Gemma van Son, mit der Richard tatsächlich viele Jahre ein Verhältnis hatte. Diese leugnet jedoch alles. Sie scheint etwas zu verbergen. (Verlagsseite) 
 

Zuerst kam Band 3 „Vor dem Regen kommt der Tod" auf den deutschen Markt, es folgte Band 1 „Schweigende Sünde“ und jetzt Band 5, wobei Band 4 übersprungen wurde. Leider. Denn es fehlt dem Leser ein ganzes Stück vor allem aus der Privatgeschichte der Ermittler Paul Vegter und Renée Pettersen – wie weit ist ihr privates Techtelmechtel gediehen? Warum hat Renée den Polizeidienst (auf Zeit?) quittiert?

Man kann sich zwar einige Details zusammenreimen, aber auf dem Laufenden fühlt man sich nicht, sondern bleibt ein Stück weit orientierungslos. 

Diese Buch gehört zu den ruhigen, stillen Krimis und wirkt passagenweise eher wie eine Erzählung, die sich thematisch mit rassistischen Vorurteilen, Gewalt in der Ehe und der Unfähigkeit, mit Behinderungen in der Familie umzugehen, befasst. 

In die erste Szene steigt man mit fulminanter Spannung ein: Wie gelingt es einer schwächlichen Frau, die Leiche eines 1,90 m großen, schwergewichtigen Mannes aus dem Haus zu schaffen? Jeder Handgriff, jeder kleine Schritt, jede neue Idee verfolgt der Leser gebannt mit und spürt die Strapazen und die Atemlosigkeit, sich des schweren leblosen und sperrigen Körpers zu entledigen.
Für den Kriminalfall weiß man also schon von Beginn an: Es ist eine Frau. Die Ermittler brauchen länger zu dieser Erkenntnis. 

Was die literarischen Krimi-Motive angeht, hat Dijkzeul das Pulver nicht neu erfunden. Sie setzt auf hinlänglich Bekanntes und Bewährtes: Der Mann, der fremd geht. Der nach außen ein völlig anderer war als zuhause. Die vom Zwist bestimmte Familie. Zu guter Letzt die Mutter, die sich mit ihrem Geständnis schützend vor den Sohn stellt.

Auch die polizeiliche Ermittlung wird in ihrer mühevollen und alltäglichen Kleinarbeit mit Spurenanalyse, Versuch und Irrtum dargestellt, bietet also wenig Raum für spannende Elemente. 

Dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen. Das ist jedoch nur möglich, wenn man es nach dem Eingangskapitel als Erzählung einer zutiefst unglücklichen Frau liest, die sich langsam ihrer Stärken besinnt und ihr Leben unter schwierigen Umständen neu zu ordnen beginnt. Manches Klischee muss herhalten, doch im Großen und Ganzen ist der Autorin eine einfühlsame Studie gelungen. 
Sicher trägt auch Paul Vegter zum zufriedenstellenden Lesen bei: Er ist zwar, wie viele seiner literarischen Kollegen, ein einsamer Wolf, verwitwet mit erwachsener Tochter und Katze, der abends allein seine Klassik-CDs hört, dazu ein Glas Wein trinkt, nachdem er ein Fertiggericht gegessen hat. Doch bei all dem erscheint er nicht schwermütig, bedrückt oder von Weltschmerz umfangen, sondern selbstbewusst, freundlich und abgeklärt.
Seine Liebesgeschichte mit Renée? Man kann dazu aufgrund dieses Bandes nicht viel dazu sagen, weil die Voraussetzungen aus Band 4 nicht bekannt sind. 

Wer stille, ruhige Krimis, gern auch mit besonderen Problemen (hier das autistische Kind und Aslis schwarze Hautfarbe) mag, wird das Buch gern lesen; Liebhaber temporeicher, fesselnder oder blutiger Krimis könnte das Buch enttäuschen.