Rezension

Ein Thriller, der auf jeden Fall unter die Haut geht

Fürchte die Nacht - Claudia Puhlfürst

Fürchte die Nacht
von Claudia Puhlfürst

Eine grausame Tat, tief im Wald. Du fliehst. Doch auch zu Hause bist du nicht sicher. Etwas lauert auf dich. Es ist dir seltsam vertraut. Und es wird dich finden. (Klappentext)

Schon als ich das Buch das erste Mal in der Hand hatte, hat mich dieser Klappentext vollkommen fasziniert. Plötzlich lag so viel verhängnisvolles Unheil in der Luft, dass es fast greifbar war! Ich bin also mit äußerster Erwartung an die Lektüre des Thrillers herangegangen und die wurde schon nach dem nervenaufreibenden Prolog übertroffen.

Die wichtigsten Figuren der Geschichte werden dem Leser bereits im ersten Kapitel in rascher Aufeinanderfolge vorgestellt. Obwohl es sich um eine größere Gruppe Jugendlicher handelt, hat man schnell einen Überblick über die einzelnen Charaktere und Namen. Lena und Anne, die beiden Protagonistinnen der Geschichte, werden als unzertrennliche Freundinnen eingeführt. Lena, deren Mutter vor fünf Jahren unter mysteriösen Umständen verschwunden ist, wirkt aufgrund ihrer traumatischen Erlebnisse schon sehr erwachsen. Anne hingegen ist kindlicher, hat bei jedem nächtlichen Geräusch Angst und rennt davon, als ein Junge aus der Klasse sie küssen möchte. Beide wirken auf den Leser jedoch authentisch und in ihrem Umgang miteinander sehr ehrlich und offenherzig. Umso mehr wird dem Leser sofort die Dramatik des Beginns bewusst, als Lena plötzlich ihre beste Freundin im Wald vermisst.

Das Wispern der Blätter setzte für einen Moment aus und in der Stille knackte überlaut ein Zweig. Ziemlich dicht hinter ihr. (S. 8)

Die Angst der beiden Mädchen, die sowohl aus der Sicht von Anne in den Fängen der vermummten Gestalt als auch aus Lenas Perspektive eindrücklich und lebendig geschildert wird, überträgt sich automatisch auf den Leser. Dazu tragen auch die von Puhlfürst so realistisch beschriebenen Waldgeräusche bei, die immer wieder die stillen Momente druchbrechen und die Gefahr dadurch unmittelbar und bedrohlich machen. Sowieso trägt das Setting des Waldes und später das des nächtlichen Campingplatzes stark dazu bei, dass die gesamte Atmosphäre durchweg gruselig und spannend wirkt.

Feines Rascheln. Äste knacken. Unter den Sohlen fühlt sich der Boden weich an. Es riecht nach modrigem Laub. Ein kalter Hauch streift ihre Haut. Plötzlich ist es still. Totenstill. (S. 131)

Beide Mädchen versuchen die schlimmen Erlebnissen im Wald unterschiedlich zu verarbeiten. Während Anne sich in Recherchen über unaufgeklärte Mordfälle wirft, will Lena die ganze Angelegenheit nur noch vergessen und lieber eine neue Frau für ihren Vater finden. Dadurch entfernen sie sich mehr und mehr voneinander. Das ist zwar interessant zu verfolgen, trotzdem bin ich der Meinung, dass Lenas Ablenkungsversuche mit den Kandidatinnen für ihren Vater irgendwie nicht in die Geschichte hineinpassen und die unheimliche Atmosphäre der Geschichte dadurch ein- bis zweimal unterbrochen wird.

Die Geschichte ist in vier Abschnitte, in die Monate Mai bis August, unterteilt. Obwohl die Zeitsprünge zwischen den Teilen teilweise irritieren und so bspw. das Verhör der Klasse durch die Polizei in meinen Augen viel zu kurz kommt, tragen die Sprünge trotzdem dazu bei, dass die Handlung rasant fortschreitet. Besonders gut gefällt mir am Aufbau des Buches auch, dass immer mal wieder ein kurzer Abschnitt aus der Sicht des Mörders erzählt wird und man einen kleinen exklusiven Einblick in seine Denkweise erhält.

Die Nacht ist gleichzeitig mein Freund und mein Feind. Sie gibt mir Schutz, verbirgt jedoch auch die Gefahren, die in der Schwärze lauern. (S. 57)

Einige meiner Fragen bleiben am Ende der Geschichte leider unbeantwortet. So frage ich mich, was die Polizei von Annes Theorie hält, dass sie das gezielte Opfer sein könnte? Hätte Anne nicht ausführlicher befragt werden müssen? Warum interessiert Lena sich nicht für die Ergebnisse der Sendung Aktenzeichen XY, wenn es schließlich um das Verschwinden ihrer Mutter geht und warum hat sie Annes Bruder Moritz schon so lange nicht gesehen, wenn Anne doch ihre beste Freundin ist? Das sind Fragen, die nicht unbedingt erheblich für den logischen Ausgang der Geschichte sind, die mich aber trotzdem weiterhin beschäftigen.

Fazit & Bewertung

„Fürchte die Nacht“ von Claudia Puhlfürst hat mich bis zum Ende absolut gefesselt und mich mit tiefgründigen und gleichzeitig undurchsichtigen Figuren sowie gruseligem Setting und überraschenden Wenungen überzeugt. Das Ende des Romans ist zwar stimmig, aber ziemlich abrupt und irritierend. Es entsteht kurz der Eindruck, als ob die Autorin um jeden Preis einen Mörder präsentieren will, den der Leser mit logischem Denkvemögen auf keinem Fall vorher hätte auf die Schliche kommen können. Dafür und für die unbeantworteten Fragen ziehe ich einen Stern ab, empfehle das Buch aber trotzdem als tollen Jugendthriller weiter!