Rezension

Ein vergessener Klassiker...

Die Möwe Jonathan - Richard Bach

Die Möwe Jonathan
von Richard Bach

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch ist geschrieben für Menschen, die verstehen, daß es mehr gibt als den greifbaren Erfolg; Menschen, die Befriedigung finden in einer Sache, von der sie überzeugt sind, auch wenn sie sich damit gegen die Welt stellen; Menschen, die frei sind für das Abenteuer der Persönlichkeit.

Die Möwe Jonathan ist anders als ihre Artgenossen: Neugierig und hungrig auf die Weite des Meeres und des Himmels. Jonathan will alles lernen, erfahren und verstehen. Er ist verliebt ins Fliegen – und in die Freiheit. Das verstößt gegen die Tradition der Möwensippe und Jonathan wird vom Ältestenrat verbannt. Doch wäre er nicht die Möwe Jonathan, wenn er nicht so leidenschaftlich an seinen Zielen festhielte. Diese poetische Fabel ist ein Aufruf – unsere Träume und Sehnsüchte nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Möwe Jonathan glaubt an das Abenteuer des Fliegens als Teil der großen Freiheit der Möwen. Und er fragt sich immer wieder, warum es zu den schwierigsten Dingen auf der Welt gehört, einen Vogel davon zu überzeugen, dass er frei ist und dass er diese Freiheit auch selbst erproben kann.
Jonathan muss den Weg der Einsamkeit gehen, bevor er schließlich zum Lehrer und Vorbild für Gleichgesinnte wird.

Die Parallelen zu den Außenseitern der menschlichen Gesellschaft lassen die Geschichte zu einer Parabel werden. Das Festhalten an einer Idee auch gegen den Strom der anderen, das Einstehen für seine eigene Persönlichkeit, das Suchen nach dem wirklichen Sinn - all dies lässt sich mühelos auch auf die menschliche Spezies anwenden.

Schon der erste Satz bezaubert:

Es war Morgen, und die neue Sonne flimmerte golden über dem Wellengekräusel der stillen See (S. 9).

Gegliedert ist das Büchlein in drei Teile, die den Prozess der Entwicklung Jonathans beeinhalten - die Ausgrenzung, das Lernen, die Rückkehr. In meiner Ausgabe gibt es außerdem noch zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos, die den Flug der Möwe(n) in verschiedenen Situationen darstellen. Teilweise sogar auf Pergament gedruckt, so dass sich beim Betrachten einer Seite eine ganze Reihe Möwen in unterschiedlichen Schattierungen durchdrücken, so dass fast der Eindruck eines wirklichen Fluges entsteht. Eine schöne Idee.

Es ist nun über 30 Jahre her, dass ich die Verfilmung des Buches im Kino sah - unvergessen: die Musik von Neil Diamond - und dieses Büchlein holte die Erinnerung an die Bilder nach oben. Der Minuspunkt durch das zeitweilige leichte Abgleiten der Erzählung ins Esoterische fällt dabei für mich kaum ins Gewicht. Das Gesamtkonzept ist jedenfalls stimmig.

Ein Kultbuch einer Generation, das heute wohl eher zu den vergessenen Klassikern gehört. Trotzdem war es schön, die Spur Jonathans wieder einmal aufzunehmen...

© Parden