Rezension

Ein wunderbares Buch, wortgewaltig und poetisch

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod - Gerhard Jäger

Der Schnee, das Feuer, die Schuld und der Tod
von Gerhard Jäger

Bewertet mit 5 Sternen

Dies ist ein Buch für Leser, die eine schöne Sprache lieben und nicht unbedingt 'Action' brauchen.

"Noch immer sind keine Berge zu sehen. Noch immer hängen graue Tücher über der Stadt. Noch immer glitzern die Straßen, nass von Regentropfen, …" (165)

Doch der 80-Jährige, eigens aus Amerika nach Innsbruck gereiste Mr Miller ist nicht wegen der Berge gekommen, sondern weil er das Schicksal seines Cousins aufklären will, der vor über 50 Jahren in einem abgelegenen Bergdorf spurlos verschwand. Dazu vertieft er sich im Landesarchiv in dessen Aufzeichnungen, die ihn offensichtlich sehr mitnehmen. Von Anfang an klingt durch, dass Miller eine Art Mission hat, dass er etwas Bestimmtes vorhat, nachdem er das Buch seines Cousins gelesen hat.

Der 25-jährige Historiker Max Schreiber flüchtete aus Wien in ein einsames Bergdorf, angeblich, weil er zur Hexenproblematik recherchieren und ein Buch dazu schreiben wollte, aber vermutlicherweise auch, weil seine Freundin ihn verlassen hatte. In dem einsamen Bergdorf schlug ihm anfangs Misstrauen und Ablehnung entgegen und auch mit dem Schreiben klappte es nicht. Schließlich legt sich seine Schreibblockade und die Worte flossen nur so aus ihm heraus:

"… und schon gießt er die Bilder, die aus seinem Inneren aufsteigen, in die Buchstabenformen, lässt sie zu Worten erstarren, ordnet sie zu Sätzen, zu Skizzen, zu Gedanken, zu Gefühlen, …" (116)

Aber dann brach das Unglück über das Dorf herein, persönliche tragische Vorkommnisse, aber auch die Gewalt der Natur in Form von Lawinen. Das Ganze wirkt so archaisch, so aus der Zeit gefallen, dass ich mir immer wieder klar machen musste, dass die Geschichte 1950/51 spielt, im sogenannten Lawinenwinter. Und am Ende ist Max verschwunden; nur seine Aufzeichnungen sind geblieben, in die sich Mr Miller tagelang vertieft.

Die Geschichte wird in zwei Zeitsträngen erzählt, den Vorfällen rund um Max und Rückblicke in Mr Millers Leben mit seiner inzwischen verstorbenen Frau, Rosalind. Auch hier gibt es ein Geheimnis und am Ende eine kleine Überraschung.

Das Buch, das ich anfangs ein wenig langweilig fand – ich muss mich anscheinend immer erst einlesen – zog mich zunehmend in seinen Bann, nicht nur wegen der steigenden Dramatik, nicht nur, weil Unheil drohte, sondern vor allem wegen der wortgewaltigen poetischen Sprache, faszinierend in ihrer Treffsicherheit und Bildhaftigkeit.

"… und das Jahr endet, nicht aber Gelächter, Geschrei und Musik, das alles füllt die ersten Stunden des neuen Jahres, als ob die Menschen damit das alte und das neue Jahr aneinanderketten möchten, um den Fluss der Zeit nicht zu unterbrechen." (186)

"Es wird nicht mehr lange dauern, bis die Berge den Strahlen den Weg verstellen, den glitzernden Schmuck vom Dorf und vom Feld nehmen, bis alles in ein Halbdunkel getaucht ist, die Vorbereitung für die Nacht, für die lange Nacht." (192)