Rezension

Ein wundervoller Weihnachtsroman :-)

Bevor die Stadt erwacht - Kerstin Hohlfeld

Bevor die Stadt erwacht
von Kerstin Hohlfeld

Bewertet mit 5 Sternen

Warmherzige Geschichte irgendwo zwischen der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens und "Der Grinch" mit liebenswürdigen Charakteren

Autorin:
Kerstin Hohlfeld wurde 1965 in Magdeburg geboren und absolvierte erfolgreich ein Theologie-Studium in Naumburg und Berlin. Nach unterschiedlichen Jobs und weiteren Berufsausbildungen widmet sie sich heute ausschließlich der Leidenschaft, der sie bereits als Kind nachging und mit der sie sich – nur 50 km von der ehem. Zonen-Grenze entfernt lebend – in fremde Welten träumen konnte: Dem Schreiben. Sie lebt mit ihrem Mann, zwei Töchtern, einem Sohn und zwei Katern in Berlin. Neben der „Rosa Redlich“-Reihe im Gmeiner-Verlag, um die junge Berliner Schneiderin, mit “Glückskekssommer” (erschienen: 07.02.2011), “Herbsttagebuch” (09.07.2012), “Winterwünsche” (01.07.2013) und „Kirschblütenfrühling“ (04.03.2015) sind noch folgende Bücher von ihr erschienen: „Ein Weg zurück“ (bookshouse, 20.06.2014) und “Ich heirate einen Arsch” (03.11.2014 bei Knaur – gemeinsam mit dem Co-Autor Leif Lasse Andersson), „Wenn das Glück anklopft“ (05.12.2014) und „Morgen ist ein neues Leben“ (11.09.2015) – letztere bei Ullstein.

Handlung:
Ephraim Sasse, Misanthrop, Choleriker und seit nunmehr 24 Jahren Komponist der Berliner Weihnachtsphantasie, ist ein absoluter Weihnachtshasser. Schuld daran ist unter anderem der Weihnachtsmarkt, der sich in unmittelbarer Nähe zu seinem Haus befindet und ihn mit seinem Gedudel am Komponieren hindert. Zu allem Überfluss fällt auch noch seine langjährige Haushaltshilfe verletzt aus und mit der Vertretung, einer Ur-Berlinerin, rasselt auch immer aneinander. Und dann jubelt ihm Amelie, eine Mitarbeiterin seines Feinkostlieferanten, ihm offenbar auch noch klammheimlich den Wunschzettel ihres Sohnes Elias unter, der nur den Wunsch hat, dass seine Mama, die mit zwei Jobs nachts und in der Frühe den Lebensunterhalt finanziert, nicht immer so müde ist. Auf der Suche nach der Geschichte der kleinen Familie begegnet er vielen Menschen, die – bevor die Stadt erwacht – schon als Dienstleister für ihre Mitmenschen tätig sind. Aber vor Allem begegnet er sich selbst. Er lernt, dass die Welt außerhalb seiner Villa doch gar nicht so schlecht ist, ebenso wie die Menschen, und auch, dass sogar er – gerade in der Weihnachtszeit – eigentlich seinen Teil dazu beitragen könnte, die Welt noch ein Stück weit besser zu machen …

Fazit:
Bei diesem Cover, das zwar eine wunderschöne Winter-Atmosphäre ausstrahlt, ist es ein wenig schade, dass hier „nur irgendeine Stadt“ abgebildet wurde und nicht Berlin, weil in dem Buch soviel Berliner Lokalkolorit vertreten ist und es sicherlich auch ein paar schöne Berliner Winter-Motive gibt.
Die 250 Seiten haben insgesamt 16 Kapitel von perfekter Leselänge in einem angenehm, etwas großzügigerem angenehmes Schriftbild.
Tja, was soll ich sagen?! Das hier ist auf jeden Fall einer der Weihnachtsromane, die mich mit einem verzückten Seufzer zurückgelassen haben. Der Schreibstil ist toll und der Plot ein wenig ungewöhnlich. Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und weitestgehend liebenswürdig – na ja, vielleicht bis auf Ephraim Sasse. Sehr schön fand ich an dieser Geschichte, dass Kerstin Hohlfeld in diesem Roman ganz einfachen Personen in alltäglichen Berufen (wie dem Straßenkehrer, dem Boten des Anzeigenblattes, der Kiosk-Besitzerin, der Putzfrau, den Verkäuferinnen im Feinkost-Laden usw.) ein Forum gegeben hat. Diese Menschen sind so wichtig in unserem Alltag und sie gehen so leicht unter, weil ihre Anwesenheit und ihre Arbeit als so selbstverständlich hingenommen werden und man sich dadurch vielleicht mal bewusster macht, was diese Leute für uns leisten und wann. Ganz bezaubernd fand ich auch die Idee, das aktuelle Flüchtlingsthema mit in die Geschichte aufzunehmen. Natürlich habe ich mich auch sehr gefreut, dass diese Geschichte in meiner Heimat Berlin spielt und soviel Berliner Lokalkolorit und Herz und Schnauze enthält. Jede der sehr authentischen Charaktere hat sein eigenes Schicksal: Alltagsstress, Geldsorgen, Einsamkeit im Alter, Analphabetismus, ein krankes Haustier, Integration in einem fremden Land. Ein wenig verwirrend fand ich lediglich, dass immer wieder neue Personen Teil der Geschichte wurden – da habe ich mir manchmal ein Personenverzeichnis gewünscht. Dieses Buch ist so gefühlvoll und warmherzig mit so viel Liebe geschrieben und eine perfekte Lektüre für kalte Wintertage, von der man sich wünscht, sie wäre noch ein wenig länger gewesen.  Das Buch hat mich glücklich gemacht und sehr gut unterhalten und zum Nachdenken angeregt.
Ich gebe eine 5*-Leseempfehlung für diesen außergewöhnlich schönen Weihnachtsroman, der ein bisschen was von Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte und dem Grinch hat.