Rezension

Eine etwas andere Erinnerungsreise in eine jüdische Familiengeschichte und zu Nazischätzen in Schlesien

Kajzer -

Kajzer
von Menachem Kaiser

Kajzer ist kein typisches Erinnerungsbuch. Es ist eine jüdische Erinnerungsreise ohne eigene Erinnerung, der Versuch über Orte und Relikte ein Gefühl für die schwierige Vergangenheit, eine kollektive Erinnerung und die eigene Familiengeschichte zu gewinnen. Und dabei alle Ambivalenzen, Zweifel und Hindernisse, die ein solches Vorhaben mit sich bringt, nicht verschweigt, sondern ganz bewusst dokumentiert und reflektiert. Und genau darin liegt das große Verdienst des Buchs von Menachem Kaiser!

Eine ganze Generation ohne Großeltern. Eigentlich unvorstellbar und trotzdem ruft dieser Umstand angesichts seiner Verbreitung und dadurch „Normalität“ keine Verstörung hervor. Bis Menachem Kaiser, Jahrgang 1985, Unterlagen seines Großvaters mit dessen eigenhändiger Schrift findet und so mehr über dessen Leben und seinen stillen Kampf für die Restitution erfährt. Nun ist es für den Autor Zeit und Grund verstört zu sein und damit auch für dieses wichtige Buch! 

Menachem Kaiser, aufgewachsen in einer jüdischen Familie in Toronto, nimmt uns mit auf seine Reise in die Vergangenheit seiner Familie, die Kriegsjahre und den Holocaust mit all seinen furchtbaren Leiden, in das heutige Polen und nicht zuletzt auch zu sich selbst. 

Was als Suche nach dem Haus seines Großvaters in Polen beginnt, entwickelt sich zu skurrilen Begegnungen mit polnischen Schatzsuchenden, einer frustrierenden Auseinandersetzung mit der polnischen Bürokratie und Justiz und neuen, ungeahnten Entdeckungen und Einsichten in die Historie seiner Familie über seinen Großvater hinaus. 

Der große Raum den Schatzsuchende und Abraham Kajzer in der Geschichte einnehmen führt dazu, dass sich der Autor immer wieder in einem Spannungsfeld zwischen Erinnern und Folklore befindet und auch darüber reflektiert er in diesem Buch. 

Es ist eine Spurensuche, die nicht linear verläuft, sondern von Fehlinterpretationen, Fehleinschätzungen und Irrtümern gesäumt ist. Und man gewinnt den Eindruck, dass dies das eigentliche Anliegen des Autors ist, ein anderes, vielleicht auch realistischeres Bild des Erinnerns, einer Erinnerungskultur und von (Familien)Geschichte als solches zu vermitteln. Geschichte mit Emotion und Empathie, an den Punkten und Enden, an denen Fakten uns im Stich lassen, Erinnerungen sich widersprechen. Ein Erinnern, das nicht linear ist, manchmal dafür schwer zugänglich. Und nicht zuletzt, dass Erinnern selbst etwas ist, das uns näher zu uns selbst bringt. 

Die langen Abschnitte über polnische Schatzsucher*innen und vermeintliche Geheimprojekt sind zwar interessant, jedoch nach meinem Geschmack zu ausführlich, dafür dass sie die eigentliche Handlung nur streifen. Sprachlich konnte mich das Buch nicht konsequent überzeugen, was jedoch auch an der Übersetzung liegen mag. 

Kajzer ist kein typisches Erinnerungsbuch. Es ist eine jüdische Erinnerungsreise ohne eigene Erinnerung, der Versuch über Orte und Relikte ein Gefühl für die schwierige Vergangenheit, eine kollektive Erinnerung und die eigene Familiengeschichte zu gewinnen. Und dabei alle Ambivalenzen, Zweifel und Hindernisse, die ein solches Vorhaben mit sich bringt, nicht verschweigt, sondern ganz bewusst dokumentiert und reflektiert. Und genau darin liegt das große Verdienst des Buchs von Menachem Kaiser!