Eine gruselige Vision

Vaterland
von Robert Harris

Was wäre wenn..... ? Robert Harris hat sich dieser Frage angenommen und sich ein erschreckendes Szenarion ausgedacht: Die Nazis haben, unter ihrem obersten Kriegsherrn Adolf Hitler, den Zweiten Weltkrieg gewonnen.

Das Großdeutsche Reich umfasst ganz Europa, inklusiver einiger Vasallenstaaten und der immer noch neutralen Schweiz. Die Nazis haben nach Kriegsende alle (wirklich alle?) Hinweise auf die Shoah vernichtet. Kurz vor Hitlers Geburtstag und der Annäherung an den letzen grossen Feind (USA) wird ein hoher NS-Funktionär ermordet. Der loyale SS-Mann März soll den Mord untersuchen. Er bekommt im Laufe der Zeit Unterstützung durch eine amerikanische Journalistin. Gemeinsam kommen sie auf die Spur, dass nach und nach alle Teilnehmer der "Wannsee-Konferenz" (auf der die "Endlösung" beschlossen wurde) gestorben sind bzw. ermordet wurden. Die beiden stellen sich die Frage, warum ist das wohl so? Und wo sind die ganzen Juden abgeblieben, die vor dem Krieg in Europa lebten? 

Der Roman ist flüssig geschrieben und gut zu lesen. Auch die Idee von Harris (was wäre wenn...) weiß zu überzeugen. Man erfährt in dem Roman einiges über die NS-Pläne nach Beendigung des Krieges - z. B. über die Umgestaltung Berlins. Hier hat Harris sehr gründlich gearbeitet. Ein weiterer Pluspunkt sind die im Roman auftretenden, realen Figuren. Bis ins Jahr 1942 sind die biographischen Einzelheiten zutreffend, später sind sie konstruiert (wie der frühe Tod Himmlers oder das Leben Heidrychs, der in Wirklichkeit 1942 einem Attentat zum Opfer fiel). Gut gelungen ist Harris die Atmosphäre einer ständigen Bedrohung durch die NS-Schergen. Besonders beeindruckend der Aspekt der Denunziation (mehr soll hier nicht verraten werden). Negativ zu bemerken sind der Auftritt der amerikanischen Journalistin, deren Verhalten sie im 3. Reich umgehend ins KZ oder vor ein Erschiessungskommando geführt hätten. Warum kommt kein Buch ohne eine Liebesgeschichte (man kann sich schon denken, wohin die gemeinsamen Ermittlungen die beiden führen werden; nicht nur zur Wahrheit, sondern auch ins Bett) aus??? Auch das Ende ist nicht wirklich befriedigend, weil zu optimistisch (optimistisch heisst nicht "Happy End"!).

Insgesamt gesehen ein interessantes und gut gelungenes Buch, nicht nur für historisch Interessierte, aber natürlich besonders für solche,