Rezension

Eine leichte, aber düstere Fantasy-Lektüre

Schwarzer Horizont - Ivo Pala

Schwarzer Horizont
von Ivo Pala

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Cover hat mich als Frau überhaupt nicht wirklich angesprochen. Ich habe zwar nichts gegen Schwerter oder andere Waffen auf (Fantasy-) Covern und auch eine düstere Stimmung finde ich eigentlich nicht unansprechend, aber in dieser Zusammenstellung gepaart mit einem computer generierten Bild und dem leicht unscharf wirkenden Titel hätte ich wahrscheinlich nie zu diesem Buch gefunden, hätte die Beschreibung nicht so interessant geklungen. Und so lag das Buch auch nur kurz im Regal, bis ich es dann tatsächlich gelesen habe.
Dieses Buch hat drei Hauptcharaktere, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird: Raymo, Ash und Lizia. Alle drei, wie der Rest der Welt, leiden unter den Folgen einer verheerenden Naturkatastrophe in deren Nachwirkungen die Sonne nun schon mehrere Jahre von Aschewolken komplett verdeckt wird. Dies hat selbstredent deutlichen Einfluss auf die Natur, das Wetter und somit auch über die Menschheit. Raymo hat am Tag des Weltendonners seine gesamte Familie verloren und da es ihm zunehmend schwerer fällt, im Hochland zu überleben, zieht er gen Süden und trifft dabei auf Lizia, als diese ihr Schicksal nicht mehr ertragen kann und sich in den kalten See stürzt. Lizia ist eine Waise und arbeitet als niederste Dienerin bei einer adeligen Familie. Als sie in aller Öffentlichkeit entjungfert werden soll, sieht sie nur noch den Tod als Ausweg, bis Raymo sie rettet. Gemeinsam ziehen sie in die Hauptstadt, um dort festzustellen, dass die Naturkatastrophe die schlimmste Seite der Menschheit zu Tage gebracht hat. Und dann ist da noch Ash. Ein junger Mönch, dessen Kloster von Monstern überfallen wird. Eingeschlossen im Keller überlebt er und hat dennoch keine Hoffnung an den Menschenfressern vorbei zu kommen, bis er die Stimme seines Gottes hört und dieser ihm Anweisungen gibt, die nicht nur zu seiner Rettung führen, sondern letztlich die Sonne zurück bringen sollen.
Auch wenn zwei der drei Handlungsstänge sich kreuzen, spielen sie alle doch unabhänig voneinander. Jeder der drei geht seinen eigenen Weg und erlebt seinen eigenen Überlebenskampf und alle sind sehr unterschiedlich. Bei all dem Negativen, das den Figuren passiert, gibt es jedoch immer noch ein klein wenig Hoffnung, was vor allem an den Charakteren selbst liegt. Raymo findet sich einfach nie mit einer Niederlag ab und versucht immer – recht planlos wie ihm mitgeteilt wurde – seinen Hals zu retten, mit seiner Art findet er dabei Verbündete und Freunde. Lizia entwickelt sich von der unterdrückten Dienerin zu einer Kämpfernatur und auch Ash, der obwohl er seinen Gott wahrhaftigt hört, immer noch an ihm zweifelt. Die Charaktere in diesem Buch haben mir daher wirklich gut gefallen.
Anders als in anderen Fantasy-Werken wird hier nicht viel Wert auf Beschreibungen der Landschaft oder der näheren Umstände gelegt, sondern nur das erzählt, was für die Handlung gerade bedeutsam ist. Dadurch wird viel „unnötiger“ Text gespart, aber ohne dabei die Atmosphäre oder die Spannung zu mindern. Ähnliches kenne ich von neu aufgelegten Fantasy-Klassikern, hier jedoch ist der Schreibstil modern und dadurch lässt sich dieses Buch wirklich gut lesen. Ich bin eigentlich ein großer Freund von ausführlicher, machmal auch langatmig geschriebener Fantasy, weil man dabei so schön in die Tiefe abtauchen kann. Hier habe ich das jedoch nicht vermisst. Der Text ist wirklich kurz und knackig. Die Kapitel z.T. auch sehr kurz, so dass man die Geschichte als leichte Lektüre lesen kann. Da jedoch auch wirklich viel passiert in diesem ersten Teil, bleibt die Spannung konstant hoch.
Die Geschichte an sich ist ebenso düster wie das Cover. Die Wandlung des Klimas hat zu einer Wandlung der Gesellschaft geführt und die Charaktere müssen sich nun mit den niedersten menschlichen Trieben und Abgründen beschäftigen. Dadurch hat dieses Buch eindeutig eine andere Grundstimmung als so manch anderes High-Fantasy-Werk und ist eher mit der Stimmung in den dystopischen Romanen zu vergleichen, ohne dabei viel Wert auf den Aufbau eines feindlichen, unterdrückenden Regimes zu legen. Statt dessen gibt es zahlreiche Feinde, da sich in dieser Welt nur jeder sich selbst der Nächste ist und es schlicht mehrere große Parteien bzw. Völker gibt. An dieser Stelle sei außerdem gesagt, dass es in diesem Buch keine Karte gibt. Diese ist zwar auch nicht notwendig, um die Geschichte zu verstehen, dennoch wäre sie für eine Übersicht schon hilfreich gewesen.
Alles in allem hat mich dieser Auftaktband wirklich positiv überrascht, nachdem ich vom (unscharfen) Cover doch recht enttäuscht war. Ich bin mir sicher, dass ich die nachfolgenden Bände auch lesen werde, denn bei diesem Buch  bekam ich eine gute und spannende Fantasy-Geschichte, auf die ich mich auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch gut konzentrieren konnte.

Fazit: Wer tiefgründige, ausführlich geschriebene High-Fantasy sucht, ist bei diesem Buch sicher falsch. Denn auf den knapp 400 Seiten begleitet der Leser die drei Hauptcharaktere, die in einer Welt ohne Sonne versuchen zu überleben. Dabei ereignen sich die Geschehnisse Schlag auf Schlag, was zu einer sehr actionreichen und spannenden Erzählung führt. Landschaftsbeschreibungen und Hintergründe werden auf das Notwendigste minimiert, doch dadurch dass die Erzählweise an sich sehr gut ist, bleibt die Geschichte dennoch atmosphärisch düster.  Ich persönlich empfand diesen Schreibstil als sehr erfrischend, denn momentan habe ich nicht immer den Kopf frei für Fantasy-Wälzer und dieses Buch kommt mir mit seiner Knappheit gerade recht. Sicher könnte man anmerken, dass die Charaktere so noch recht platt erscheinen oder sich manche Entwicklungen zu schnell vollziehen, dennoch finde ich, wirkt alles zusammen genommen, so wie es hier ausgeführt wurde, genau richtig. Auch wenn es mich ein klein wenig selbst überrascht, hat Ivo Pala mit diesem Buch genau meinen Geschmack getroffen. Gut, dass dies erst der Auftaktband war!