Rezension

Eine Liebesgeschichte?

Kairos -

Kairos
von Jenny Erpenbeck

Bewertet mit 5 Sternen

Kairos, der griechische Gott des richtigen Augenblicks, ist im Spiel, als sich Katharina und Hans zufällig 1986  in Ostberlin begegnen. Damit beginnt eine heftige und langjährige Liebesgeschichte zwischen der Neunzehnjährigen, die eine Ausbildung zur Schriftsetzerin macht, und dem in der DDR schon bekannten 53jährigen Schriftsteller. Das Buch erzählt im Rückblick viele Jahre später, was geschah, denn Katharina bekommt zwei Kartons mit Unterlagen über die Beziehung, als Hans gestorben ist. So muss sie sich noch einmal mit der Vergangenheit auseinandersetzen. Das ist schmerzlich, denn es gab nicht nur glückliche Stunden. Hans war verheiratet und hatte einen Sohn, von seiner Familie wollte er sich nicht trennen. Andererseits war er extrem eifersüchtig auf alle jungen Männer, die in Katharinas Nähe kamen und nachdem sie eine kurze Beziehung zu einem Kollegen hatte, bestraft er sie hart und bringt sie an den Rand des Selbstmordes. Im Laufe des Buches wird Hans immer unsympathischer, er ist ein Egomane, wie er im Buche steht, und nimmt sich selbst Freiheiten, die er Katharina nicht zugesteht. Seine Gewaltexzesse sind sehr erschreckend und man fragt sich, warum Katharina sich das alles gefallen lässt. Die Beziehung ist nicht auf Augenhöhe, im Gegenteil.
Das Buch ist ganz hervorragend geschrieben. Allerdings hatte ich manchmal als im Westen aufgewachsene Frau einige Probleme, die Chiffren zu verstehen, die Menschen, die im Osten aufgewachsen sind, wahrscheinlich selbstverständlich erscheinen.
Das Buch bewegt sich auf hohem Niveau, griechische Mythologie und deutsche Geschichte sollten den Lesern nicht fremd sein. Man muss sehr konzentriert lesen, aber das ist ja kein Nachteil. Der Kopf wird gefordert.
Ein unbedingt lesenswertes Buch mit hohem Anspruch!