Rezension

En vogue in den 20ern

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte - Emily Walton

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
von Emily Walton

Bewertet mit 4 Sternen

Irgendwie fügt es sich fast ohne mein Zutun zusammen: Eine Biografie von Hemingway hier, ein Büchlein über das Mäzenehepaar Murphy da, die Hemingway päppelten, und mir gleichzeitig Scottie, einen zeitweilig engen Freun von Hemingway nahebringt, eine angefangene Biografie über Picasso - ich sollte sie mal zu Ende lesen und zu diesem Behufe wieder aus der Bücherei befreien - und schon entfaltet sich die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in epischer Breite. Auch "Alles ist relativ und anything goes" von John Higgs, gerade in der Mangel, fügt sich nahtlos ein. Bald bin ich Expertin!

Das kleine, nur 165 umfassende Büchlein im DIN A 5 Format von Emily Walton plakatiert den Sommer 1926, in dem das wohlhabende amerikanische Paar Sara und Gerald Murphy in Südfrankreich ihre Künstlerfreunde um sich schart und mit ihnen das Leben zelebriert.

Das Ehepaar fungiert durchaus als eine Art Mäzen und wer in ihren Freundeskreis aufgenommen wird, gehört dazu, zu den Intellektuellen, den Modernen, den Revolutionären, den Pionieren, den Reichen, den Elitären, den Angesagten. Sie sind mal mehr, mal weniger liebenswerte Snobs, die sich nicht scheuen, auch Menschen aus ihrer Mitte als zweitklassig abzustempeln.

Dieser Sommer, so führt die Autorin dem Leser vor Augen, ist der letzte unbeschwerte Höhepunkt von Unbekümmertheit und Lebenskraft, bevor Fortuna die Hand auf das Füllhorn des Glücks legt.

Auch der amerikanische Schriftsteller F. Scott Fitzgerald erlebt diesen großartigen Sommer in Juan-les-Pins mit seinen Freunden und seiner Frau. Doch bei dem Ehepaar Scott zeigen sich schon in diesem Sommer an der französischen Riviera Auflösungserscheinungen.

Ich mag dieses Büchlein recht gerne, weil es wunderschöne Bilder vor mein Auge zeichnet und dafür, dass es sich auf eine sehr kurze Zeitspanne fokusiert, trotzdem sehr informativ ist. Dass die Autorin in einem kurzen Epilog die Sicht auf die weitere Zukunft seiner Protagonisten freigibt, rundet das Ganze ab.

Die Sprache versucht lyrisch zu sein, vielleicht ist die Satzmelodie manchmal ein bisschen holprig und es gibt bereits im zweiten Satz des Buches einen Lapsus, der an dieser exponierten Stelle einfach nicht unbemerkt und ungestraft bleiben kann: Möwen gurren nicht. Dafür gibt es Punktabzug.

Fazit: Eine sehr hübsche Darstellung des Lebensgefühls einer kleinen Gruppe von Menschen, die in den 1920ern en vogue gewesen sind.

Kategorie: Biographische Literatur
Verlag: Braunmüller, Wien, 2016

 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 23. März 2016 um 12:04

Vielleicht waren es Möwen, die eine Fremdsprache beherrschen??? (Wohl eine Fehlleistung des Übersetzers, vermute ich.)

Wieder eine schöne Rezension. Wobei der Inhalt mich eher begrenzt reizt.