Rezension

ER ist wieder da!

Die Tage, die ich mit Gott verbrachte - Axel Hacke

Die Tage, die ich mit Gott verbrachte
von Axel Hacke

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wenn einer von einem fremden alten Mann von der Parkbank geschubst wird, auf die eine Sekunde später ein schwerer Glasglobus mit Metallfuß kracht, fängt er an sich zu wundern. War das Absicht, dass der Alte ihn gerettet hat? (Andernfalls wäre er ja tot gewesen, erschlagen von der Welt.) Und wer ist der Mann mit dem grauen Mantel, der jetzt dauernd auftaucht und Nähe sucht, ganz allgemein zu den Menschen, zum Erzähler aber im Besonderen? Er zieht in Hauswänden Schubladen auf, die vorher nicht da waren und in denen sich Welten verstecken, von denen auch niemand eine Ahnung hatte. Er lässt die steinernen Löwen vor der Feldherrnhalle durch Reifen springen und dirigiert kleine Regenwolken bei heiterstem Himmel herbei – und das ist alles nur der Anfang einer so großartigen wie versponnenen Geschichte voll seltsamster Ereignisse. Dieser melancholische Alte, der gerne ein Glas Champagner trinkt: Ist das Gott, der die Einsamkeit des Universums satt hat? Ist es möglich, dass einmal nicht die Menschen Trost bei Gott suchen, sondern er bei ihnen? Ausgerechnet in diesen Zeiten? Oder, mehr noch, sogar Verzeihung, Versöhnung angesichts der eigenen unvollkommenen Schöpfung? Gott: ein Spieler, ein Künstler, ein reuiger Mann? In diesem Fall gibt es einiges zu besprechen. Und zu bestaunen, in den Tagen mit Gott.

Rein literarisch betrachtet weilt Gott nicht zum ersten Mal auf der Welt. Selten aber so einfallsreich und pfiffig illustriert.

Was macht ER eigentlich hier? Nachschauen, wie es mit seiner Schöpfung vorangeht (oder nicht), wäre das Naheliegendste. Doch Gott, dem der Ich-Erzähler begegnet, ist ein ganz anderer als man ihn kennt. War doch die Erschaffung der Welt und der Menschen nicht sein erster Versuch. Ob es der bislang beste war, darf bezweifelt werden.
Zumindest eines hat ER aus seinen nutzlosen Versuchen gelernt: Dass die Wesen, die er erschaffen hat, ein Gegenüber brauchen. In unserer Sprache: Kommunizieren müssen, um sich wohl zu fühlen. ER aber ebenso wie seine Geschöpfe, und ER war eigentlich recht einsam bisher.

Ein Ich-Erzähler wie Hacke ihn präsentiert (man darf annehmen, dass er autobiographische Züge trägt) ist geradezu prädestiniert, jemanden zu treffen, der außerhalb der bekannten und sinnlich erfassbaren Welt lebt: Da fährt er zunächst mit dem Zug bis vor seine Haustür, da stellt er dem Leser seinen „Büro-Elefanten“ vor, mit dem er in der Mittagspause Spaziergänge durch den Park macht, und dann kreuzt Gott – Gott sei Dank – seinen Weg, sonst wäre eine Weltkugel schon auf Seite 12 sein Tod.
Und so unternimmt er mit Gott vergnügliche Wanderungen durch die Stadt, wo der alte Herr ihn mit Zaubereien unterhält: Mauern, aus denen sich Schubladen aufziehen lassen, in denen Überraschungen stecken, Löwen aus Stein, die durch Reifen springen, Tiere, die sich treffen, um eine Zigarette zu rauchen – kurios also, womit Gott seine Tage verbringt.
Der Erzähler lernt das Zentrum der Welt kennen, das „Große Egal“ – von Gott geschaffen als Wirkprinzip der göttlichen Ordnung.

Eine absurde Geschichte, eine widersprüchliche, eine, die wahr und zugleich unwahr ist, voller Theorien, die gleichzeitig aufgehen und nicht aufgehen. Faszinierend wie die Zeichnungen von M.C. Escher, in denen Wasser ab- und zufließt und in denen Treppen gleichzeitig nach oben und unten führen. Es funktioniert, aber man weiß, dass es nicht funktionieren kann.
Den Glauben beeinflusst das Buch sicher nicht. Aber dass man mit Gott Spaß haben kann, beweist es. Nicht nur Hacke beweist es, sondern vor allem Sowa.

Es gibt keine Antworten. Jedenfalls keine allgemeingültigen. --- Man ahnte es ja schon. Jetzt haben Hacke und Sowa es wieder bestätigt. Auf eine Art, die man sich herzerwärmender kaum vorstellen kann.