Rezension

Erotischer Spionage- und Politthriller

Der wunde Himmel - Jeannette Oertel

Der wunde Himmel
von Jeannette Oertel

Bewertet mit 3.5 Sternen

Meine Meinung
Dieses Buch zu beschreiben ist nicht sehr leicht, denn es ist ein echter Genremix, wie ich ihn mir vorstellen würde, wenn ich diesen Begriff definieren müsste. Es ist irgendwie von allem etwas dabei, es überwiegt jedoch der Thrill und eine erotisch-dramatische Liebe. Obwohl ich sonst keine erotischen Bücher lese, habe ich zu diesem hier JA gesagt, da ich politische Thriller total liebe. Zudem lese ich viel Literatur über und aus dem arabischen Raum, den dieses Buch auch etwas tangiert, auch wenn es die Arabische Republik Elydien und ihre Botschaft in Berlin nicht gibt.

Die Leserschaft wird gleich ins Geschehen geworfen und es geht spannend los. Die Protagonistin Tabea Blum ist noch recht neu in ihrem Job als Assistentin und rechte Hand des elydischen Botschafters als sie eine erste Demonstration vor der Botschaft mitbekommt und der Botschafter nicht auffindbar ist. Geheime Räume, geheime Aufträge, Agenten, Überwachungen und diplomatische Verwicklungen, all das bietet dieser Roman. Auch eine gewisse politische Brisanz ist spürbar. Es geht ebenso um die DDR, die Stasi, am Rande aber auch um Gaza, Jerusalem, Diktatur, islamisches Leben und Diplomatie als auch Demokratie. Das alles in einer nahen Zukunft verortet. Wie nah, wird nirgendwo erwähnt.

Diese zeitliche Verortung jedoch fehlte mir etwas, denn ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass die Geschichte in der heutigen Zeit spielt. Es hat mir ein bisschen die Einführung und Beschreibung zum zeitlichen Setting gefehlt.

Über die Abläufe und Geschehnisse, die im Zusammenhang mit der Botschaft und dem diplomatischen Dienst zu tun haben, wunderte ich mich hin und wieder da ich gedacht habe, dass vieles etwas strenger laufen würde, strengere Protokolle gelten würden. Es wäre interessant zu erfahren, was die Autorin sich davon ausgedacht hat.

In der elydischen Botschaft trifft Tabea Blum auf Rayan Mansur, den Diplomaten für die innere Sicherheit, mit dem sie eine heimliche, leidenschaftliche, ungesunde und sie runterziehende Liebesbeziehung hat, die, wenn sie herauskommt, sie ihren Job kosten würde. Diese Leidenschaft erliest man sich in einigen erotischen Passagen, die ich persönlich für die Glaubwürdigkeit der Liebschaft nicht unbedingt gebraucht hätte. Ich brauche keine ausschweifenden Beschreibungen, mir reichen Andeutungen. Wer es erotisch(er) mag, ist hier gut bedient. Nicht immer konnte ich diese gegenseitige Gier aufeinander nachvollziehen. Doch es war wohl gegenseitige Liebe und dass sie irgendwie füreinander bestimmt waren.

Die Spannung im Roman ist Jeannette Oertel sehr gut gelungen. Sie hält sie auf recht hohem Niveau und steigert sie von Seite zu Seite. Darin verflochten sind auch Geheimnisse und Geschehnisse aus Tabeas Vergangenheit in der DDR, die wiederum in Verbindung zur Stasi und ihrem Vater stehen. Nach und nach werden diese Punkte aufgelöst und erfahren am Schluss ihre gesamt Offenbarung. Doch in Bezug auf andere Fragen, insbesondere im Hinblick auf das Ende in Verbindung mit Alex und Rayan, fühlte ich mich etwas in der Luft hängengelassen. Ich hätte mir eine Auflösung in dieser Hinsicht sehr gewünscht.

Die Protagonisten sind allesamt sehr gut Charakterisiert. Und es gibt einige davon. Das diplomatische Parkett betreten neben Deutschen und Elydiern auch Russen, Amerikaner und noch ein paar andere. Alles Figuren eines politischen Schachspiels, das hinter undurchsichtigen Mauern gespielt wird. Die Erschaffung einer geheimnisvollen und spannenden Atmosphäre ist der Autorin sehr gut gelungen. Ich war gefangen in diesem politischen Spiel und Umbruch, sodass ich das Buch innerhalb von drei Tagen gelesen habe.

Leider werden der Titel wie auch das Cover dem Inhalt nicht gerecht. Diese Zartheit, die beide ausdrücken, konnte ich im Buch nicht wiederfinden. So weckt das Cover falsche Erwartungen und verschreckt Leser*innen, denen ein spannender, erotischer Spionagethriller gefallen könnte.

 
Fazit
Ein eigentlich großartiges Debüt, hätte es zum Schluss hin etwas weniger von allem gegeben; weniger Begehren, Verzweiflung, Drama, Verwicklungen, Vergangenheitsbewältigung. Das hast mir am Ende die Geschichte etwas zu sehr in die Länge gezogen und sie wirkte deshalb ein bisschen zu konstruiert.
Empfehlen würde ich dieses Buch Fans von Politthrillern, die vor dunklen und erotischen Liebesgeschichten nicht zurückschrecken.