Rezension

mal eine etwas ausgefallene Liebes-Spionagegeschichte

Der wunde Himmel - Jeannette Oertel

Der wunde Himmel
von Jeannette Oertel

Bewertet mit 4 Sternen

Beim Roman von Jeannette Oertel „Der wunde Himmel“ bin ich so manches Mal über mich selber gestolpert. Was meine Ansichten über starke, unabhängige Frauen betrifft, Satzgestaltung und Themenbereiche. Und auch meine Lektorenhand wollte den Rotstift ansetzen und allzu lange Sätze teilen. Die eine oder andere Anleihe an bereits veröffentlichten Büchern empfinde ich als Verbeugung vor Kollegen, hier sind sie sanft eingestreut.
Um was geht es?
Eine junge Frau tritt ihren Dienst als Assistentin eines Diplomaten an, das Land fiktiv dem Nahen Osten zugeordnet. Wie immer für diese Region, liegt eine Revolution in der Luft; hier sind die Erfahrungen von Tabea, unserer Heldin gefragt. Aber auch in einem Konsulat sind, wie in allen Büroetagen der Welt, Eifersüchteleien, Intrigen, Spionage, Mobbing, an der Tagesordnung. Nur hier vielleicht ein wenig risikoreicher wegen der Konsequenzen. Sicherheitsstufen, geheime Räume, wichtige Treffen und Telefonate, das ist nun das Leben von Tabea mit ihren Kollegen.
Sie verliebt sich in den Sicherheitschef, für mich auf eine sehr gefährliche Art und Weise, in die Abhängigkeit. Schließlich steht da ein Bild von einer Frau mit drei kleinen Jungen auf seinem Schreibtisch. Und tatsächlich hat er nicht mehr als nur wenige geklaute Minuten und Stunden für sie. Im Prinzip läuft da am Anfang das ewig gleiche Spiel, er hat Lust auf fremde Frau bis sie irgendwann nachgibt, und dann wird es bitter für sie, denn von nun an heißt es warten. Doch was für ein Spiel er wirklich spielt, wird lange nicht klar. Das ist natürlich Absicht der Autorin. Bei mir regt sich im Inneren dabei ein kleines Teufelchen, der Tabea immer wieder zurufen will, hör auf damit, der Typ macht dich nur kaputt. Und irgendwie stimmt das auch, denn ihr bester Freund ist nun der Gin. Diesen Absturz auf lange Zeit gesehen und was es mit Tabea macht, das zeigt Oertel sehr genau. Und macht einen traurig. Es ist eines der wichtigen Themen in diesem Buch.
Ein weiterer Faden in dieser Geschichte bahnt sich in Gestalt eines Kollegen an, der wohl bei der Stasi gearbeitet hat. Ihre Kindheit und frühe Jugend hat Tabea in der ehemaligen DDR verbracht, die Stasi saß mit am Tisch. Ihr Vater hat mit ihnen zusammengearbeitet, zu welchem Preis und deren Folgen für die Familie gehört zu den Höhepunkten der Geschichte. Doch lange hat Tabea kaum Kontakt zu ihrem Vater, die Mutter ist bereits verstorben. In Gedanken hört sie immer noch die Ratschläge von ihr, sie sind für sie von hoher Wichtigkeit. Dieser Kollege nun will sie in seine Machenschaften einbeziehen, aus Gründen, die ihr nicht klar werden. Denn sie kann sich einfach nicht daran erinnern, welche Rolle er mal in ihrer Familie gespielt haben soll.
Die Verwirrungen mit ihrem Liebhaber, Revolutionsgefahren des Landes, für das sie arbeitet und Erpressungsversuche hinsichtlich ihres Kollegen machen das Leben von Tabea nicht gerade einfach. Sie muss aufpassen, wem sie vertrauen kann. Ihrem stundenweisen Lover? Lieben Kolleginnen? Ihrem Ex-Freund, von dem sie erst spät erfährt, dass auch er ein Spion ist? Oder doch dem fremd gewordenen Vater? Und dann auch noch ihr gefährliches Spiel mit Tabletten und Alkohol: da sind brenzlige Situationen Programm.
Der Schreibstil der Autorin wirkt Zeitweise wie ein Fiebertraum, den Verhältnissen im Roman angepasst. Besonders der Besuch in einer Bar wirkt Surreal auf mich und doch sehr passend. Wie auch die Szenen ihrer Trunksucht, die einem verdeutlichen, wie sie sich in Positionen begibt, die sie nicht wirklich wollte. Die Erotik, ich gebe es ehrlich zu, ist nicht mein Stil, aber das muss es ja auch nicht. Ich bin mir sicher, es kommt beim entsprechenden Publikum gut an.

Und da ist noch so etwas sonderbar wunderbares: Fahrstuhlmusik! Nicht etwa immer die gleiche, nein, sie wechselt ständig und unsere Heldin kennt sich gut damit aus. Passenderweise trifft so manches Mal ein Lied oder eine Arie den Nerv der Menschen, die sie hören.
Mehr über das Buch und die Autorin findet sich zum Beispiel unter:

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