Rezension

Extrem vorhersehbar, eher mit Ekel- als Spannungsfaktor

Die Chemie des Todes - Simon Beckett

Die Chemie des Todes
von Simon Beckett

Klappentext:
Sterben kann ewig dauern, aber der menschliche Körper beginnt kaum fünf Minuten nach dem Tod zu verwesen – und wird dann zu einem gigantischen Festschmaus für andere Organismen. Zuerst für Bakterien, dann für Insekten. Fliegen. Die Larven verlassen die Leiche in Reih und Glied, in einer Schlangenlinie, die sich immer nach Süden bewegt. Ein Anblick, der jeden dazu veranlassen würde, das Phänomen zu seinem Ursprung zurückzuverfolgen. Und so entdecken die Yates-Brüder, was von Sally Palmer übrig geblieben war. Die Tote war Schriftstellerin, eine Außenseiterin in Manham. Verdächtiger Nummer eins ist der schweigsame Fremde im Dorf, ein Dr. David Hunter. Doch es stellt sich heraus, dass er früher Englands berühmtester Rechtsmediziner war, und die Polizei bittet ihn um Unterstützung. Gerade als seine Analysen zeigen, dass die Ermordete vor ihrem Tod tagelang gefoltert wurde, verschwindet eine weitere junge Frau. Eine fieberhafte Suche beginnt. Gleichzeitig bricht im Dorf eine Hexenjagd los. Der Pfarrer, ein knöcherner Fanatiker, hetzt die Leute auf, und David ist Zielscheibe seiner Hasspredigten ...

Einordnung:
- Die Chemie des Todes (Teil 1)
- Kalte Asche (Teil 2)
- Leichenblässe (Teil 3)
- Verwesung (Teil 4)

Rezension:
Der Protagonist der Geschichte ist Doktor David Hunter, der eigentlich nur als Aushilfsarzt in das kleine Dorf Manham kommt, dort jedoch schon bald dauerhaft gebraucht wird. Der Grund, aus dem er London verlassen hat und sich aufs Land zurückzog, wird zunächst immer nur angerissen, allerdings erst sehr viel später konkret benannt. Dennoch ist bereits von Anfang an ziemlich offensichtlich, weshalb er seinem bisherigen Leben den Rücken gekehrt hat und sich nun ständig selbst bemitleidet. Möglicherweise sind seine dauerhaft negativen Gefühle der Grund, weshalb David Hunter mir nie wirklich sympathisch geworden ist. Weder er noch sein Schicksal haben Emotionen wecken können.
Das mag auch mit daran liegen, dass er sich selbst nicht treu ist. Er wollte sein Leben hinter sich lassen und neu beginnen, doch trotzdem braucht es nur einen Polizisten, um ihn seine Arbeit als forensischer Anthropologen wieder aufnehmen zu lassen. Mit jedem Mal, dass er der Polizei geholfen hat, ist er entschlossen, es nicht noch einmal zu tun. Und trotzdem braucht es keinerlei Überredungskunst, ihn ein weiteres Mal in die Untersuchungen einzubeziehen. Doch nicht nur in dieser Hinsicht ist er sprunghaft. Jede Nacht bemitleidet er sich selbst, macht sich nichts aus den Meinungen der anderen Dorfbewohner und geht seinen eigenen Weg. Als ihm dann jedoch eine Frau ins Auge fällt, die ihm zusagt, benimmt er sich plötzlich wie ein pubertierendes Mädchen. Es passt gar nicht in seine Rolle und war beinahe schon peinlich zu lesen.

Doch nicht nur sympathische Charaktere, auch Spannung lässt das Buch vermissen. Offenbar treibt ein Serienmörder in Manham sein Unwesen. Aber weil der Protagonist so etwas wie ein Rechtsmediziner ist, wird der Fokus fast nie auf den Täter gelenkt. Es geht immer nur um den Prozess der Verwesung, um Larven, Fliegen und Käfer und darum, übriges Gewebe von Knochen zu entfernen. Obwohl der Titel des Buches das bereits in gewisser Weise ankündigt, hat dieser Thriller kaum den Spannungs-, sondern fast nur den Ekelfaktor. Einziger Pluspunkt daran ist die gute Recherche.
An den übrigen Stellen, die sich nicht mit Leichen befassen, ist die Handlung vorhersehbar und wenig überraschend. Schon vor den Entführungen der nächsten Opfer liegt der Fokus auf der einen oder anderen Weise auf den Frauen, sodass ihr Verschwinden nicht überrascht. Die Polizei verdächtigt nach und nach verschiedene Leute, doch die meisten Charaktere sind so angelegt, dass mehr als offensichtlich ist, dass sie es nicht gewesen sind.

Enttäuschend war auch die Auflösung. Nur wenige Charaktere werden im Verlaufe des Buches namentlich eingeführt, sodass der Kreis der möglichen Täter nicht besonders groß ist. Dementsprechend wusste ich bereits recht früh, wer der Mörder war. Einzig die Hintergründe waren noch unbekannt. Allerdings klingen diese dann auch sehr gewollt. Letztendlich ist es eine 08/15-Lösung. Wobei es mit dieser Begründung tatsächlich jeder Dorfbewohner hätte sein können. Hinzu kommt außerdem noch, dass das dramatische Finale so leicht zu durchschauen ist, dass der theatralische Epilog seine Wirkung vollkommen verfehlt und mich nur den Kopf hat schütteln lassen.
Die bis dahin immerhin sehr authentische Geschichte wird mit dem Ende außerdem noch unrealistisch. Dr. Hunter muss sich unbedingt noch als Held beweisen, weshalb eine völlig sinnlose, in keinem Wort angedeutete Wendung erfolgt. So kann Hunter zum Held werden, alle „Guten“ finden ihr Glück und alle „Bösen“ bekommen ihre gerechte Strafe. Ende gut, alles gut. Insgesamt ist dadurch die Hälfte der Auflösung extrem vorhersehbar und die andere Hälfte so wenig zum Rest der Geschichte passend, dass sie auch aus einem anderen Buch stammen könnte.

Fazit:
Das Buch hat einen recht platten Protagonisten, der keine Emotionen weckt. Er ist sehr sprunghaft in seinen Entscheidungen und steckt ständig in seinen negativen Gefühlen und Gedanken fest, wenn er sich nicht gerade wie ein pubertierendes Mädchen benimmt. Sein ehemaliger Job als forensischer Anthropologe sorgt dafür, dass die Geschichte eher den Ekel- als den Spannungsfaktor hat. Dazu trägt auch die vorhersehbare Handlung bei, die ihren Höhepunkt in einer wegen der Offensichtlichkeit fast schon lächerlichen Auflösung findet. Einzig die Recherche und der flüssige Schreibstil sind gelungen. Als mittelmäßiger Krimi bekommt „Die Chemie des Todes“ gerade so drei Schreibfedern von mir.