Rezension

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Für ein Début ein toller Lesegenuss - für FreundInnen von Familiengeheimnissen, deutscher Geschichte und : Der Bretagne!

Das tiefe Blau des Meeres - Marie Lamballe

Das tiefe Blau des Meeres
von Marie Lamballe

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Als Katharina auf dem Dachboden ihres Elternhauses eine Mappe mit Aquarellen findet, ist sie sogleich fasziniert. Die Bilder zeigen malerische Landschaften, tiefblaues Meer und immer wieder einen nostalgisch anmutenden Landsitz inmitten eines verwunschenen Gartens. Doch wo befindet sich dieser magische Ort? Und wie gelangten die Bilder in den Besitz ihrer Familie? Ihre Suche führt Katharina in die Bretagne, zu einem stark verwitterten Landschlösschen an der Cote d'Eméraude. Das Anwesen gehört Ewan, einem attraktiven Bretonen, der Katharinas Neugier zunächst mit Skepsis begegnet. Doch die Bilder lassen auch ihn nicht los, und so tauchen die beiden gemeinsam ein in die Geschichte des Landschlösschens (Kerbourgh) und seiner Vorbesitzer. Dabei kommen sie einem dunklen Geheimnis auf die Spur...."

(Quelle: Buchrückentext)
Meine Meinung/Leseeindrücke:
Ich bin mit nicht allzu hoher Erwartung an diesen Roman herangegangen und muss sagen, dass ich positiv überrascht bin und "Das tiefe Blau des Meeres" sehr schön geschrieben und stimmig finde: Es gibt zwei Handlungsstänge; wir lernen Katharina kennen, deren Vater ein Geheimnis mit ins Grab nahm und über das niemals in der Familie gesprochen werden durfte; ein kleines Foto und die Aquarelle auf dem Dachboden, die sein Vermächtnis sind, führen Katharina auf den Weg zu der Malerin, die einst wunderschöne Eindrücke der bretonischen Landschaft und Kerbourgh, wie das Landschloss heißt, an der bretonischen Küste malte..Die Handlung führt im zweiten Erzählstrang zurück in die Vergangenheit: Margot Löwenstein muss mit ihrer jüdischen Familie nach Frankreich emigrieren (1939) und versucht, sich nach England durchzuschlagen - wobei sie (mit aktuellem Bezug - Schlepper, die es damals auch gab) niemals dort ankommt, sondern an der bretonischen Küste strandet und von Alan de Morand, dem sympathischen Sohn der Familie, die Kerbourgh bewohnt, in letzter Minute und durch Zufall gefunden wird...Die Geschichte nimmt ihren Lauf und die beiden verlieben sich ineinander: Margot versucht, zu ihren Eltern zu kommen, die aus unerfindlichen Gründen nach Kriegsbeginn Ende 1939 von Paris aus nochmals nach Frankfurt fuhren - und nie wiederkamen. Margot wird als ein sensibles, schönes,  kluges und auch mutiges junges Mädchen gezeichnet, das sich in sehr schwierigen Situationen zu behaupten weiß - und dadurch ihr Leben retten kann. Einmal entgeht sie knapp den SS-Schergen und kann nur mithilfe eines Offiziers, der sie als Tochter des Kunstprofessors an der Frankfurter Universität, bei dem er einst Seminare belegte, identifiziert und erkennt via Belgien zurück nach Frankreich gelangen....Jede Figur dieses wirklich eindrucksvollen Débuts ist sehr gut ausgeleuchtet, jede Situation stimmig und m.E. nicht schwülstig oder überladen - wobei tiefe Gefühle eine große Rolle spielen, aber wohldosiert und authentisch sowie nachvollziehbar angelegt sind.In der Gegenwart sind es Katharina, die Lehrerin an einer Frankfurter Schule, die sich ausrechnet, wieviele Jahre sie noch ihre Schulpflicht ausüben muss, um ein "gesichertes" Leben als Beamtin zu haben, "versorgt" zu sein - wozu sie erzogen wurde und ihr Freund Patrick, der von seinem BWL-Studium allem Anschein nach weniger hält als von WoW und seinen "Spielkonsolen-Kumpanen", mit denen er sich tagtäglich beschäftigt... Nach dem Tode des Vaters kriselt die langjährige Beziehung und - Katharina muss sich entscheiden, wie ihr weiterer Lebensweg weiterhin verlaufen soll..Das Foto in der Hand ihres Vaters bringt sie auf die Spur von Margot de Morand, Margot Löwenstein und - Margot von Staden... - hier beweist Marie Lamballe sehr viel Gespür für Familientragödien und -geheimnisse, die erst nach vielen "Ausgrabungsversuchen" ans Licht kommen...

Fazit:
Dieser Roman hat mich positiv überrascht, er ist facettenreich, stilistisch klar und flüssig zu lesen, und spannt einen Bogen zur deutschen Geschichte, die so oder ganz ähnlich in jeder deutschen und auch jüdischen Familie anno 1939 hätte stattfinden können: Der Roman ist dabei nicht trivial, sondern trotz seiner Gefühlstiefe immer sehr gut "ausgelotet", die Handlungen stimmig. Trotz einiger kleiner "Schnitzer" in der Rechtschreibung und einem inhaltlichen "faux pas" ,  als Margot im Juli am Meer sitzt und malt (die winterliche Landschaft...), ist "Das tiefe Blau des Meeres" überaus gelungen. Wer Familiengeheimnisse liebt, die mit dem Holocaust und unrühmlicher deutscher NS-Vergangenheit in Verbindung stehen, zudem starke und authentische Charaktere liebt, Frankreich mag und sich für das Leben in den 40er Jahren vor Ort interessiert (Résistance) sowie ein Bretagne-Fan ist, dem kann ich dieses Buch nur wärmstens empfehlen: Es lohnt sich! (und ich fand es trotz über 600 Seiten nicht zu langatmig: Die Spannung war bis zum Schluss da!) Ich vergebe sehr verdiente 4,5 Sterne/ 94°  und hoffe, noch mehr von dieser Autorin lesen zu können!vv