Rezension

Gefährliche und verzweifelte Selbstjustiz

Still, 6 Audio-CDs - Zoran Drvenkar

Still, 6 Audio-CDs
von Zoran Drvenkar

Bewertet mit 3.5 Sternen

“Sie holen dich in der Nacht, drei Tage später lebst du nicht mehr. So schnell kann das gehen.” Sie sind Jäger, die ihre Beute jagen. Du bist eines ihrer Opfer. Doch ich werde keine weiteren Opfer mehr dulden – der von Christoph Maria Herbst eingelesene Psychothriller “Still” von Zoran Drvenkar erschien am 19. August bei DAV.

Inhalt: In den kalten Wintern verschwinden in Deutschland seit Jahren immer wieder Kinder spurlos aus ihren Elternhäusern. Keines der Kinder taucht je wieder auf. Nur ein Mädchen scheint ihren Peinigern entkommen zu sein. Verängstigt, verstört und halb erfroren wurde sie am Straßenrand gefunden, doch seitdem spricht sie nicht mehr. Für einen verzweifelten Vater scheint sie allerdings die einzige Hoffnung zu sein, um das Rätsel um das Verschwinden seiner eigenen Tochter zu lösen: Was ist mit dem Mädchen geschehen? Wie konnte sie fliehen und wer hatte sie entführt? Als er schließlich ihr Vertrauen gewinnt und das Mädchen sein Schweigen bricht, schleust er sich auf eigene Faust in eine Gruppe vermeintlicher Kinderschänder ein und findet sich in der Höhle des Löwen schnell auf sehr dünnem Eis wieder…

Meinung: Geschichte und Erzählstruktur des Thrillers sind sehr interessant und spannend: Es wird aus mehreren Blickwinkeln berichtet. Der Protagonist tritt dabei als Erzähler auf, der die Geschehnisse nicht nur aus der Ich-Perspektive erzählt, sondern auch das verschlossene und verstörte Mädchen direkt anspricht. Somit beginnen einige Abschnitte, in denen er ihr die Geschichte erzählt, mit “du”. Ebenso berichtet der Erzähler von einer Gruppe von Männern, den Jägern, die er als “sie” bezeichnet. In seiner Erzählung springt er immer wieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart, so dass sich erst nach und nach das Puzzle zusammensetzt, was damals wirklich mit dem verstörten Mädchen passiert ist und wie dies mit den Geschehnissen der Gegenwart zusammenhängt.

Christoph Maria Herbst liest den Thriller erstaunlich nüchtern und stellenweise sehr emotionslos. Der verzweifelte Vater ist ein beobachtender Erzähler, der sich von seinen Taten und denen der anderen distanziert und dennoch das Geschehen aus nächster Nähe verfolgt. Daher ist die teilweise sehr teilnahmslose Intonation als Stilmittel für diesen Thriller durchaus gelungen. Dennoch fällt es dadurch auf Dauer recht schwer dem Geschehen zu folgen. Vor allem in Dialogen kann man die unterschiedlichen Charaktere kaum voneinander unterscheiden, da sie alle ziemlich ähnlich und betont unaufgeregt gesprochen werden. Für Christoph Maria Herbst ist es daher eine sehr ruhige und untypische Lesung, die dem Inhalt des Thrillers zwar gerecht wird, den Hörer jedoch nicht durchgehend fesselt.

Fazit: Ein interessanter Thriller mit viel Tiefgang und einer spannenden Erzählstrukur, der nicht nur aufgrund der teilweise etwas dahinplätschernden Lesung nicht vollkommen überzeugen kann: Nach nicht immer überzeugenden Wendungen bleibt der Hörer mit zu vielen offenen Fragen zurück.