Rezension

Geniales Psychogramm eines Rächers

Schlemihls Schatten - Christian Hardinghaus

Schlemihls Schatten
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Mit diesem „Osnabrück-Krimi“ hat Christian Hardinghaus ein beeindruckendes Psychogramm eines Rächers geschaffen.

Es beginnt schon recht ungewöhnlich: der Leser erfährt den Vornamen des Mörders (Konrad), den des ersten Opfers (Valentin Klatt) und das Motiv (Vergeltung). Als weitere Zutat hinterlässt der Autor ein an Wilhelm Busch angelehntes Gedicht, das einen zweiten Toten ankündigt und nennt den Nachnamen des Ermittlers (Echtner).

Was sollen wir damit? Denkt sich der an übliche Krimis gewöhnte Leser. Nachdenken, rätseln, die Protagonisten betrachten – das ist das Ziel von Autor Hardinghhaus. Welcher Schatten gehört zu welcher Person. Jeder Mitspieler hat so seinen eigenen Schatten, seine eigene Vergangenheit – nur wieviel wird davon preisgegeben?

So fällt auf, dass einige Personen entweder nur einen Vor- oder nur einen Nachnamen haben, wenige haben beides. Zufall? Bestimmt nicht!

Doch wer sind diese Personen?

Konrad, ein Vater dessen Tochter unter unklaren Umständen um Leben gekommen ist. Er richtet alle, denen er die Schuld daran gibt.

Ermittler Echtner ist wegen psychischer Probleme in den Innendienst verbannt, wird aber nach dem Mord an Klatt, von seinem Chef Hollmann wieder reaktiviert. Was weder Vorgesetzter noch Team wissen: Echtner ist voll auf Crystal Meth.

Hollmann, ohne Vorname, ist, sorry für ihn, ein schlechter Chef. Das muss man doch merken, wenn ein Mitarbeiter so voll auf Drogen ist wie Echtner.

Ellen Erotic, eine Prostituierte zu der sowohl Konrad als auch Echtner gehen. Spezialgebiet: Rollenspiele aller Art.

Gewitzt und nicht ohne Gruseleffekt schickt der Autor seine zwischen den lebenden und toten Protagonisten herum. Ein bizarres Verwirrspiel beginnt.

Für Konrad habe ich Sympathie oder zumindest Verständnis. Wer, seien wir einmal ehrlich, würde nicht jene zur Verantwortung ziehen wollen, die Mitschuld am Tod des eigenen Kindes sind, jedoch von Gesetzes nur unzureichend bestraft werden? Eben, auch wenn Konrad die Brutalität von Mord zu Mord steigert.

Um seinem Tun einen „gesetzlichen Touch“ zu geben, nennt sich Konrad „Inspektor Schlehmil“. Schlehmil ist eine schlitzohrige Figur aus der Zeichentrickserie „Die Sesamstraße“. Doch auch das Jiddische kennt den Ausdruck. Auch hier bedeutet er „Ganove“ oder eher mitleidig „Pechvogel“.

Der Krimi ist sprachlich ein Genuss. Wer die Streiche von „Max und Moritz“ kennt, wird den einen oder anderen Reim bzw. Idee erkennen.

Fazit:

Ich konnte das Buch nicht weglegen und gebe 5 Sterne sowie eine unbedingte Leseempfehlung.