Rezension

Genre-Mix

Kesselsturm - Oliver Wolf

Kesselsturm
von Oliver Wolf

Ein Serienmörder treibt in der Stuttgarter S-Bahn sein Unwesen und erschießt scheinbar wahllos Menschen. Kein Amoklauf, sondern leise und gezielte Tötungen einzelner Personen, die auf den ersten Blick nichts verbindet. Szenenwechsel: Im Jahre 243 wird im alten Germanien ein kleines Dorf überfallen und völlig ausgelöscht, nur die junge Geofin überlebt. Völlig auf sich allein gestellt, muss sie um ihr Überleben kämpfen. So wie die Opfer in der S-Bahn scheinen auch diese beiden Handlungsstränge zunächst nicht viel miteinander gemein zu haben.

In seinem zweiten Roman „Kesselsturm“ verknüpft Autor Oliver Wolf viele verschiedene Handlungsstränge zu einem ungewöhnlich erzählten Krimi. Es ermitteln erneut die Stuttgarter Kriminalbeamten André Bürkle und Antonia Ronda und auch ohne den Vorgänger „Netzkiller“ zu kennen, findet man sich in der Figurenkonstellation recht schnell zurecht. In dem Ermittler-Duo übernimmt Bürkle den souveränen Part, während Ronda die impulsive Rolle einnimmt. Gemeinsam versuchen sie die Hintergründe aufzudecken, die zu der Mordserie führten und stoßen dabei auf merkwürdige Zusammenhänge. Und während in der Gegenwart Bürkle und Ronda Jagd auf den S-Bahn-Mörder machen, versucht in der fernen Vergangenheit die Germanin Geofin die Mörder ihrer Familie zu finden.

Über die Zusammenhänge dieser beiden Geschichten wird der Leser zunächst im Unklaren gelassen. Die Spannung ist damit hausgemacht, durch den Wechsel der Erzählstränge entsteht ein eigener Spannungsbogen, der den Leser von Kapitel zu Kapitel ködert. Das lässt eine Dynamik entstehen, die dem Krimi ein gutes Tempo verleiht.

Die Geschichte lebt von all den verschiedenen Handlungssträngen und präsentiert sich dadurch gerade zu Beginn abwechslungsreich und fesselnd. Leider kann sie das nicht über die gesamte Länge halten, gegen Ende bricht die Spannung schlagartig ein. Nachdem die Handlung in den ersten zwei Dritteln so gut vorgelegt hatte, scheint die Auflösung fast zu durchschnittlich, sodass ich mich enttäuscht fragte: Wie? Das war es jetzt? Ich hatte vom Krimi-Plot schlicht mehr erwartet.

Insgesamt ist es eine interessante Idee, neben der hauptsächlichen Kriminalhandlung parallel einen historischen Roman zu erzählen. Der Genre-Mix macht den eigentlich klassischen Krimi zu einem ungewöhnlichen, abwechslungsreichen Leseerlebnis, kann aber auch als zu starker Bruch in der Erzählstruktur empfunden werden. Nimmt man alle Ausflüge in die verschiedenen Genre und Erzählstile in „Kesselsturm“ zusammen (Zukunftsvision im Prolog, historischer Roman in der Nebenhandlung, Krimi in der Haupthandlung, poetisch-erzählerischer Abschluss im Epilog), zeigt sich zwar das vielfältige Potential des Autors, es erweckt aber auch den Eindruck von Ziellosigkeit. Ich denke, es hängt letztlich vom eigenen Lesegeschmack ab, ob man den Stil mehr als experimentierfreudig oder unbeständig wahrnimmt.

Mir persönlich hat der Mix im Prinzip ganz gut gefallen, auch wenn manches, nüchtern betrachtet, für die Handlung nicht notwendig gewesen wäre und ich zu sehr den Eindruck hatte, das möglichst viel ausprobiert werden wollte. Daher kann der Krimi insgesamt keinen ganz runden Eindruck hinterlassen.

Fazit: Dieser Krimi legt zu Beginn gut vor und weiß durch wechselnde Handlungsstränge zu fesseln. Die anfängliche Neugier weicht zum Ende aber leider dem Gefühl, dass irgendetwas fehlt oder das vielleicht einfach nur etwas zu viel war.

Bewertung: 3 Sterne

 

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