Rezension

Groteske, traurige und liebevolle Familiengeschichte

Das Hotel New Hampshire - John Irving

Das Hotel New Hampshire
von John Irving

Bewertet mit 4 Sternen

Wie auch bei einer anderen Rezensentin ist dieses Buch mein zweiter Roman von John Irving. Ich kenne bisher ebenfalls nur „Gottes Werk und Teufels Beitrag“ und auch ich muss gestehen, dass mich „Das Hotel New Hampshire“ nicht ganz so sehr faszinieren konnte…

Aus der Sicht des „dritten“ Kindes John wird die Geschichte der Familie Berry erzählt, bestehend aus Mutter, Vatter, Großvater, 5 Kindern und mindestens einem Haustier. Angefangen in den frühen 1940er Jahren, erstreckt sich die Geschichte bis in die späten 1970er Jahre hinein. In dieser Zeit bewirtschaften die Berrys hintereinander 3 Hotels „New Hampshire“ an verschiedenen Orten. Skurrilitäten, wie der Roller - fahrende Bär „State-O-Maine“, der Hund „Kummer“, der auch nach seinem Tod noch weiter lebt oder auch die unechte Bärin Susi gehören zur Tagesordnung. Traurige Schicksalsschläge, eine ungewöhnliche Geschwisterliebe und äußerst eigenartige Bewohner der Hotels (besonders in Wien!) zeichnen ihr Leben ebenso wie die stets andauernden Träumereien, besonders von Vater Win.

Der Autor lässt sich Zeit, die Charaktere vorzustellen und von den ersten merkwürdigen Ereignissen im Leben der Berrys zu berichten. Anfangs habe ich zeitweise nicht gewusst, wo mich der Autor hinführen will. Etwas zäh also zu Beginn, entwickelt sich die Geschichte aber nach und nach zu einer soghaften Aneinanderreihung von Ereignissen. Die Personen bekommen immer mehr Profil und Tiefe und sie können mich im Laufe des Romans  für sich gewinnen. Besonders die Familie Berry, jedes Familienmitglied mit seinem sehr speziellen Charakter, hat es mir letztlich angetan und ich habe sie alle in mein Herz geschlossen. Irving gelingt hier eine unglaubliche Gratwanderung zwischen Fiktion und Realität (viel stärker ausgeprägt als bei „Gottes Werk…“). Oft habe ich den Kopf geschüttelt ob der ungeheuren Übertreibungen und verrückten Situationen… und doch: es scheint letztlich nichts unmöglich. Das finde ich an diesem Roman wirklich bemerkenswert. Man sollte sich allerdings darauf einlassen können. Auch darauf, dass Irving gern sehr direkt und ehrlich schreibt, was einen manches Mal vielleicht ein wenig ins Schleudern bringen mag ;)

Fazit: „Das Hotel New Hampshire“ ist eine durch und durch schräge, traurige und sehr, sehr liebevolle Familiengeschichte. Unglaubliche Ereignisse prägen das Leben der Berrys, von denen jeder Einzelne mir in seiner teils schrulligen Eigenart ans Herz gewachsen ist. Irving beginnt ein wenig zäh und ist mir manches Mal in seinen Übertreibungen ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen. Trotzdem mag ich seinen Stil sehr und habe letztlich diesen Roman sehr gemocht, habe mitgelitten und gelacht und manches Mal den Kopf geschüttelt! ;-)