Rezension

Gute &solide Dystopie

Partials 01. Aufbruch - Dan Wells

Partials - Aufbruch
von Dan Wells

Bewertet mit 4 Sternen

Die Partials, künstliche erschaffene Menschen mit übermenschlichen Kräften, sollten nur den Isolationskrieg gewinnen. Am Ende waren sie der Grund, weshalb fast die komplette Menschheit ausgestorben ist. Seit diesem Zusammenbruch versucht der klägliche Rest die Art am Leben zu erhalten. Doch der RM-Virus zerfetzt jeden kleinsten Hoffnungsschimmer. Denn alle Neugeborenen sterben innerhalb von 2 Tagen. Für diese Seuche will Kira ein Heilmittel finden, koste es was es wolle. Dafür würde sie auch ihr sicheres zu Hause verlassen, um einen Partial zu finden. Sie ist sich sicher, dass die Lösung bei ihnen zu finden ist. Doch seit dem Zusammenbruch – seit 11 Jahren – wurde kein Partial mehr gesehen.

„Das neugeborene Mädchen 485GA18M starb am 30. Juni 2076 um 6.07 Uhr morgens. Es war drei Tage alt. Seit dem Zusammenbruch betrug die durchschnittliche Lebenserwartung eines menschlichen Säuglings sechsundfünfzig Stunden.“ S. 9

Vielleser werfen immer einen besonderen Blick auf den ersten Satz bzw. den ersten Absatz. In Autorenkreisen wird sogar gesagt, dass es von diesen abhängt, ob das Buch gelesen wird oder nicht. Dan Wells hat mit seinem Absatz schon einmal alles richtig gemacht. Ich hab das Buch sofort sinken lassen, weil der Einstieg so unfassbar gruslig ist und hat eine gewisse Fassungslosigkeit zurück gelassen. Den darin erfährt der Leser, dass die Kinder nicht länger als 2 Tage leben. Mich als Frau hat es schockiert. Denn die Menschen können gegen dieses Kindersterben nix ausrichten. Babys sind dort sowas wie Eintagsfliegen. Sie haben überhaupt keine Chance. Die Mütter müssen tatenlos zu sehen, ja, wissen sogar während der Schwangerschaft schon, das auch ihr Kind nicht überlebend wird. Dafür müsste ein Wunder geschehen.

„Sie war stärker als ihre Prüfungen. Sie konnte die Prüfungen nutzen, um zu siegen. Sie konnten ihren Zwecken dienen.“ S. 481

Für dieses Wunder will Kira sorgen. Sie kann es nicht mehr mit ansehen, vor allem nicht mehr als eine Freundin schwanger wird und noch weniger als das Gesetz, was Frauen dazu zwingt mit 18 Jahren schwanger zu werden, runter gesetzt wird auf 16. Kira ist 16 und fühlt sich nicht bereit dafür. Und doch beweist sie schnell wie viel Mut in ihr steckt, wie viel Ehrgeiz und Verstand. Sie ist von Anfang an eine starke Protagonistin, die auch mal zweifelt, aber eindeutig Taten sprechen lässt. Genau das hat mir so gut an ihr gefallen. Sie wird nicht während der Geschichte zu einem starken Charakter, sondern ist es gleich, weshalb ich sofort wusste, das Kira Konflikten nicht einfach aus dem Weg geht und zur Not mit dem Kopf durch die Wand will.
Was die anderen Charaktere angeht, schneiden die nicht ganz so gut ab. Von jedem hat man ein Schema im Kopf, wie er ist und was ihn ausmacht. Doch irgendetwas fehlt. Vielleicht waren es auch zu viele Charaktere, die im Vordergrund standen, weshalb alle ein wenig kürzer treten mussten.

Was ich Dan Wells hoch anrechne, ist, das was in so vielen Bücher zu einer kleinen Seuche geworden ist. Mädchen verliebt sich unsterblich sofort in einen Jungen. Wegen irgendeines Grunds dürfen die beiden aber nicht zusammen sein. Zwar weiß bei „Aufbruch“ ein Leseveteran, das sich auch hier eine Liebesgeschichte anbahnt, aber sie wird nur erahnt, dass irgendwann mal etwas passieren wird. Dafür habe ich dem Autoren mehr als nur einmal gedankt. In diesem Buch steht die Spannung eindeutig im Vordergrund, die Liebe nicht – vielleicht noch nicht?

Spannung erzeugen, das kann der Herr Autor. Er weiß, wie er eine Szene anpacken muss, so dass der Leser mit fiebern muss. Viele richtig Aktion geladene Momente gibt es dabei gar nicht. Es ist eher eine subtile Spannung. Kleine Gefahren, die Kiras Mission – die Rettung der Babys – gefährden könnten. Vieles bleibt auch lange unklar, vor allem Absichten. Ich wusste oft nicht, wenn ich über den Weg trauen konnte, was mich erwartete. Auch zum Ende des Buches, was eine tolle und völlig unerwartete Wendung hat, bleibt vieles offen.

„Jede Gesellschaft braucht ein gewisses Maß an Regelungen. Wenn es zu viele sind, bekommst du eine Tyrannei, wenn du zu wenig hast, versinkst zu im Chaos.“ S. 97

Auch hat Dan Wells das typische Thema „böses Regime das alle unterdrückt“ anders aufgezogen. „Aufbruch – Partials 1“ ist die erste Dystopie, wo ich die Regierung nicht sofort als großen Bösewicht empfand. Zunächst waren sie mir sogar sympathisch, weil es den Anschein machte, dass sie wirklich ihr Bestes taten, um den Menschen Sicherheit zu bieten. So wollte ich die Charaktere auch nicht durchschütteln, um zu fragen, wieso sie es nicht mitbekommen, wie sehr sie unterdrückt werden.

Was mir ein wenig sauer aufgestoßen hat, war das eine 16-jährige das Heilmittel entdeckt. Kira mag intelligent sein, doch die Lösung des Problems war recht einfach und ich kann mir nicht vorstellen, dass in 11 Jahre kein Mensch, kein Arzt, nicht einmal ansatzweise Gedanken in die Richtung hatte. Die ganze Zeit habe ich mich wahnsinnig auf die Auflösung gefreut, wie der RM-Virus geheilt werden kann und dann war es so einfach. Bei Dan Wells, der viel Lob für seine „Serienkiller“-Reihe bekam, habe ich mir da mehr erhofft. In dem Bezug ging mir auch das viele wissenschaftliche/medizinische Gerede auf die Nerven. Es wird sehr einfach erklärt, aber irgendwann, nach vielen Seiten über den Virus, wie genauer er funktioniert und seine Zwischenstationen, hat es mich gelangweilt.