Rezension

Historisch, episch

Die Kaffeemeisterin - Helena Marten

Die Kaffeemeisterin
von Helena Marten

Bewertet mit 4 Sternen

Frankfurt, Anfang des 18. Jahrhunderts. Johanna ist noch jung, als ihr Mann stirbt, und sie alleine seine Kaffeestube übernehmen soll. Hilfe hat sie zwar durch ihre Gesellen und die beiden Töchter, aber als verwitwete, ungeschützte Frau hat sie einen schweren Standpunkt in Frankfurt. Und der fiese Gottfried meint, durch ihren Kaffeeverkauf läuft seine Apfelmost-Stube viel schlechter. Er will sie unbedingt boykottieren.

Johanna kämpft und sucht neue Lösungen. Aber hat sie als Frau eine Chance, sich gegen Männer zu behaupten? Und wird sie die Kaffeestube weiterführen können?

„Die Kaffeemeisterin“ ist ein historischer Roman über die Kunst des Kaffeebrauens und der Kraft einer Frau, aus Scherben aufzustehen und sich nach vorne durchzuarbeiten.
Sprachlich hatte ich zunächst meine Schwierigkeiten. Die ersten hundert Seiten (und leider auch mehr) langweilte mich das Buch ziemlich. Später wurde es etwas zackiger, die Handlung interessanter und die Schreibart spannender. Aber noch immer hielt sich die Autorin mit Details auf, die weder der Handlung dienten noch die Situation voranbrachten. So geht Johanna zu Beginn der Geschichte in die Judengasse. Über mehrere Seiten lässt sich die Autorin jetzt aus, dass es dort eng ist und was passiert, als ein dreister Reiter hindurch will. Scheinbar alles, damit Johanna verschwitzt und mit herabgerutschtem Strumpf bei dem Kaffeehändler landet, und so Gabriel das erste Mal begegnet. Es hätten aber auch nur wenige Zeilen gebraucht, und nicht mehrere Seiten…
Generell wurde viel Akzent und Dialekt, Französisch, Italienisch und Türkisch eingebaut (aber nie unverständlich, immer übersetzt), was ich sehr abwechslungsreich fand.
Die Geschichte musste erst warm werden. Man lernte sehr ausführlich Johanna, Gabriel, Elisabeth und Gottfried kennen. Bemerkenswert fand ich (wenn auch nicht immer gut), dass die Autorin manchmal neue Informationen zu Charakterzügen oder Aussehen gab, die vorher nie erwähnt wurden. Die Figuren entwickelten sich weiter, natürlich, aber teilweise waren diese Informationen essentiell  - ich war verwirrt, dass sie erst so spät genannt wurden.
Interessant war Johannas Reise in den Orient, und jede Entwicklung beim Kaffeerösten. Die Geschichte schien mir gut recherchiert und ausgearbeitet. Manchmal war mir die Reise etwas zu zackig, oder die Zeitsprünge zu schnell, aber das Buch hatte eben einen anderen Charakter.
Leider muss ich zugeben, dass ich von vorneherein negativ gegenüber dem historischen Roman eingestellt war, obwohl er so ein schönes Thema wie die Kaffeezubereitung hatte. Aber als mir schon gleich zu Beginn die klassischen Themen aus den Historien vorgelegt wurden, machte mir das das Buch nicht schmackhafter. Johanna wird Witwe, soll sich alleine mit ihrem Gewerbe durchschlagen und wird von einem mächtigen Mann bedroht.
Ich muss dem Buch zugutehalten, dass es weder Vergewaltigungen gab (wenn auch eine fast passiert wäre), die Liebe sich im Hintergrund hielt – natürlich eine Rolle spielte, aber nicht den Mittelpunkt bildete -, Johanna auch einfach eine Frau ist und die Zeit, in der das Buch spielt, nicht verunglimpft wurde. Ich habe bereits einige Bücher gelesen, in denen die Protagonisten nicht zeitgemäß handelten. Das hatte ich hier nicht.
Johanna handelt nicht über ihre Macht hinaus. Sie hat Freunde, die ihr helfen, die Dinge für sie regeln können. Zeitgemäß und dem Bild der damaligen Frau entsprechend ist die Kaffeemeisterin mal machtlos, mal einflussreich. Sie erlernt Kraft und Durchsetzungsvermögen, ändert jedoch nicht unrealistisch ihren Charakter.
Trotz des etwas negativen Eindrucks hatte das Buch doch auch einige gute Seiten (wie passend…), sodass ich gute drei Sterne vergeben kann. So ganz hat es meine Lust für historische Romane nicht wieder geweckt, aber ich bin sicher, dass es bei Fans des Genres genau den Geschmack trifft.