Rezension

Historisch gut recherchiert, das gewisse Etwas fehlt

Fortunas Schatten - Anja Marschall

Fortunas Schatten
von Anja Marschall

Bewertet mit 3 Sternen

Hauke Sötje kann sich nicht an den Unfall erinnern, der ihn alles kostete und eigentlich nur noch einen ehrenvollen Tod als Ausweg hat. Doch bevor er dies vollbringt, muss er erst noch in Glückstadt etwas aus seinem Leben vor dem Unfall klären. Ehe er sich versieht, gerät er doch in die Intrigen der Stadt und ist plötzlich in eine Mordklärung verwickelt - erst als Verdächtiger, schließlich jedoch als Ermittler. Dabei scheint alles gegen ihn zu sein; nur Sophie Struwe steht an seiner Seite und unterstützt ihn aus vollem Herzen. Zwar gibt es auch noch den Graf von Lahn, doch der scheint seine eigenen Ziele zu verfolgen.

Ich wurde mit den Charakteren einfach nicht warm. Zum Beispiel Sötje: Obwohl meistens ein personaler Erzähler aus seiner Sicht erzählt, sind mir seine Gefühle kaum bewusst geworden. Er ist oft bedrohlich gegenüber den Leuten, ist ein guter Ermittler, aber ich wusste bis zum Ende des Buches kaum etwas über seine Gefühlswelt. Hinzu kommt die Sache, die er unbedingt erledigen muss: Da habe ich mich zum Einen gefragt, warum er erst auf einem Fischerboot anheuert, denn er hätte das Ganze schon längst abhandeln können, und zum Anderen wird diese Tat, die für ihn doch eigentlich eine ungeheure Bedeutung haben muss - wenn er sogar seinen ehrenvollen Tod aufschiebt -, nur am Rande in ein, zwei Sätzen erwähnt. Hauke Sötje hätte deutlich intensiver dargestellt werden können, seine Geschichte bot viele Möglichkeiten dazu, doch die Umsetzung ist für mich nicht gelungen.
Allgemein blieben die Figuren für mich eher oberflächlich, das Innenleben wurde schnell abgehandelt oder gar nicht erst erwähnt. Sophie ist eigentlich eine interessante Figur, sie denkt selbständig, wehrt sich gegen so manche Konvention und kämpft zum Schluss auch für sich. Zugleich aber wird sie in einigen Situationen als schwach dargestellt, in denen ich ihre Reaktion anders erwartet hätte.

Der historische Hintergrund ist einfach unglaublich gut recherchiert und sehr genau. Auch sehr interessant. Die Beiträge aus der Glückstädter Fortuna beispielsweise sind für historische interessierte Leser sicherlich ein tolles Detail. Alle diese kleinen Beiträge, die man jeweils über den Kapiteln findet, sind - bis auf einen - tatsächlich historische Dokumente und passen sehr gut zu dem Inhalt des Buches.
Die Geschichte an sich finde ich eigentlich auch ganz interessant, alles ist in sich stimmig und logisch aufgebaut. Die Hintergründe der Taten, die gesamte Fischergesellschaft und die Handlungen im Namen des Kaiser passen einfach gut.
Schön fand ich, nebem dem Glossar, insbesondere die Karte aus der Zeit der Jahrhundertwende, die einem das Glückstadt des Buches näher bringt. So kann man sich auch ein bisschen orientieren, wo Hauke Sötje und Sophie ermitteln und leben.
Die Beschreibungen sind auch hervorragend, insbesondere die Gegebenheiten eines Feuers und der doch sehr begrenzten Löschmöglichkeiten muss ich hier hervorheben. Doch das ändert alles nichts daran, dass für mich keine richtige Spannung aufgebaut wird. Ich empfand es stellenweise als historischen Tatsachenbericht, als journalistische Beschreibungen einiger Gegebenheiten. Die Lebendigkeit, die ich sonst oft bei historischen Romanen finde, hat mir hier vollkommen gefehlt.

Fazit

Anja Marschall hat hier einen historisch gut recherchierten Roman abgeliefert, doch das alleine reicht mir nicht. Mir fehlt ein bisschen der Flair, der Zugang zu den Charakteren und oft wirkt mir das Buch zu sehr nach einem Bericht.