Rezension

Historisch höchst interessant, dazu gut unterhaltend

Caffè in Triest -

Caffè in Triest
von Günter Neuwirth

Bewertet mit 5 Sternen

REZENSION – Mit seiner neuen Krimireihe um den Kriminalbeamten Bruno Zabini ist es dem österreichischen Schriftsteller Günter Neuwirth (55) nicht nur gelungen, in der Vielzahl historischer Krimis eine geopolitisch interessante Lücke für sich auszumachen. Er hat es nach seinem ersten Roman „Dampfer ab Triest“ (2021) nun mit dem im März im Gmeiner Verlag erschienenen Folgeband „Caffè in Triest“ endgültig geschafft, ihr auch seinen literarischen Stempel aufzudrücken.

Neuwirths charmanter Protagonist Bruno Zabini, Inspector I. Klasse des kaiserlich-königlichen Polizeiagenteninstituts der Reichsunmittelbaren Stadt Triest und Tröster zweier unglücklich verheirateter Frauen, muss in der zum europäischen Handelszentrum gewordenen Hafenstadt an der Adria erneut sein kriminalistisches Können beweisen: Dem Slowenen Jure Kuzmin ist der Aufstieg vom einfachen Seemann zum Kaffee-Importeur gelungen. Doch als er sich in die Tochter eines angesehenen Triester Großhändlers verliebt, zieht er den Zorn des italienischen Dandys Dario Mosetti auf sich. Dieser will seinen Nebenbuhler ausschalten und bittet seine italienischen Freunde, dem Slowenen eine Abreibung zu verpassen. Doch die Aktion läuft aus dem Ruder, führt zu einem ersten Mord und weitet sich bald zum Bandenkrieg zwischen Italienern und Slowenen aus. Inspector Zabini steht unter Druck, denn in wenigen Tagen werden der habsburgische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin Herzogin Sophie zum Stapellauf zweier Passagierdampfer der österreichischen Handelsmarine erwartet.

Neuwirth greift in seinem Krimi gleich mehrere sozial- und wirtschaftspolitische Aspekte auf, die das komplizierte Miteinander in dieser Vielvölkerstadt im Jahr 1907 ausmachen: Einerseits ist Triest eines der wirtschaftlich bestentwickelten Gebiete des Habsburger-Reiches. Österreichische und italienische Großkaufleute haben es zu Wohlstand gebracht, der Handel mit Übersee boomt – vor allem mit arabischem Kaffee. Das kulturelle Leben ist hoch entwickelt, Triest ist zum Mekka für Literaten aus ganz Europa geworden. Doch untergründig brodelt es: Radikale Italiener versuchen, Stimmung gegen die alles beherrschende und verhasste Donau-Monarchie zu machen: „Man müsse die terra irredenta den Habsburgern entreißen, man müsse mit einem scharfen Messer heiliges italienisches Land aus der fauligen Masse des Vielvölkerstaates schneiden“, meinen die radikalen Irredentisten, zu denen leider auch Darios junge Freunde gehören, die in ihrem Hass auf alles Fremde in Jure Kuzmin weniger Darios Nebenbuhler als vielmehr den slowenischen Ausländer sehen.

Günter Neuwirth schildert die damalige Situation in der von den Habsburgern beherrschten, aber im Kern doch italienischen Wirtschaftsmetropole Triest mit all ihren gesellschaftlichen und politischen Spannungen so plastisch und leicht nachvollziehbar, dass es nicht nur für historisch Interessierte ein Genuss sein dürfte, seinen Roman zu lesen: Fast meint man während der Lektüre, als Gast am Kaffeekränzchen der feineren Gesellschaft teilzunehmen, im Caffè Tomasseo bei den politischen Eiferern dabei zu sein oder am Hafen beim Verladen der Schiffe zuzuschauen. Sprachlich versucht sich Neuwirth dem Tonfall damaliger Zeit ohne zu übertreiben anzupassen, so dass seine Geschichte atmosphärisch überaus stimmig wirkt.

Dass „Caffè in Triest“ nicht nur ein Roman für geschichtlich Interessierte ist, dafür sorgt der von Bruno Zabini zu lösende Kriminalfall. Dieser scheint allerdings der bunten Schilderung des Triester Alltagslebens eher den notwendigen Handlungsrahmen zu geben, um aus der vielfältigen Stoffsammlung eine lesenswerte Erzählung machen zu können. Anders ist es dagegen mit dem auch für unsere Zeit noch ungewöhnlichen Liebesleben des Protagonisten, das sich zu einem über die Bände durchgängigen, parallel laufenden Handlungsstrang zu entwickeln scheint: Der charmante Junggeselle Bruno Zabini ist der Tröster gleich zweier unglücklich verheirateter Frauen während der mehrmonatigen Abwesenheit ihrer Ehemänner. Durch eine Intrige wird allerdings seinem Vorgesetzten dieses Fehlverhalten bekannt, weshalb Bruno – natürlich erst nach Auflösung des Mordfalles – vom Dienst suspendiert wird. Auf eine unterhaltsame und dennoch historisch höchst interessante Fortsetzung darf man also gespannt sein.