Rezension

Ist die Wahrheit das, wofür wir es halten?

Nightshade - Die Wächter - Andrea Cremer

Nightshade - Die Wächter
von Andrea Cremer

Zum Roman:
Calla ist kein gewöhnliches Mädchen: Halb Mensch, Halb Wolf, kann sie jederzeit die Gestalt ändern, lebt in ihrem Rudel, wächst jedoch auch unter Menschen und Hütern – den Herren, die sie zu beschützen geloben -, heran. An Samhain jedoch soll sich eine Neuerung ergeben: Ein neues Rudel soll gebildet werden und die Vereinigung beider Alpha-Wölfe der anderen beiden Rudel sollen dieses neue anführen. Doch nachdem Calla einem Menschenjungen das Leben rettete und dieser sich immer mehr in die Belange der Wölfe einzugliedern scheint, ist Calla ratlos: Kann sie für ihn das aufgeben, was ihr ganzes bisheriges Leben war? Und was scheint die Wahrheit um den Sinn der Existenz der Wölfe zu sein?
Fazit:
Nightshade, so heißt das Rudel, dessen Alpha-Weibchen die Protagonistin im ersten Teil „Die Wächter“ von Andrea Cremer darstellt. Gemeinsam mit Renier Laroche, dem Alpha-Männchen des anderen Rudels, soll sie ein neues Rudel anführen, dass die Haldis-Höhle vor den Suchern schützen soll.
Erzählt in der Perspektive der Protagonistin Calla und mit einigen Perspektivwechseln, wird die gesamte Geschichte aus ihrer Sicht erzählt. Wo normalerweise die Frauen den Männern unterwürfiger oder ergebener erscheinen, wurde hier zum Gegenteil umgekehrt:
Calla als Anführerin ihres Rudels, als starker Charakter mit einer selbstbewussten Persönlichkeit, die allerdings, gefangen in Unentschlossenheit um ihre Entscheidungen, was ihren weiteren Lebensweg angeht, der verknüpft durch Renier, als auch Shay, zu sein scheint, bald mehr über ihr Leben, dessen Sinn und die wahre Wahrheit ihres Volkes nachzudenken beginnt.
Cremer hat es geschafft, einen inneren Konflikt darzustellen, die Zerrissenheit, die einen Menschen (in diesem Fall halb Wölfin) den weiteren Lebensweg erschwert. Immer wieder verfällt sie sowohl dem einen, als auch dem anderen  Jungen und weiß bald selbst nicht mehr, was das Richtige für sie ist.
Doch macht dies nicht den gesamten Teil der Geschichte aus: Nachdem Calla und Shay entdecken, dass die Wahrheit, die ihnen vorgegaukelt wird, nicht das Wahre ist, sieht Calla sich mehr den je in einem Zwiespalt gefangen und muss eine tragende Entscheidung fällen.
Was mir besonders gut gefallen hat, war zunächst der Schreibstil der Autorin, die unglaublich fließend und mitfühlend den Leser in seine Geschichte zieht. Die Ausarbeitung der Charaktere, als auch deren Stärken und Schwächen, sind gut nachvollziehbar, kein Charakter gleicht dem nächsten, wobei ich hier oft an die Cullen - Familie aus „Biss zum Morgengrauen“ denken musste, im positiven Sinne.
Was ich leicht verstörend fand, ist die Tatsache, dass ich Shay, den geretteten Menschenjungen, von Anfang an als Calla unterlegen empfunden habe, was sich im gesamten Verlauf der Geschichte und trotz einiger schwerwiegenden Veränderungen, nicht geändert hat. Was allerdings auch eher auf persönlicher Ebene etwas komisch war, vielleicht empfinden das andere nicht so wie ich.
Des weiteren haben mich ein bis zwei Szenen in diesem Roman gestört, da man dort viel mehr hätte rausholen können, was die Reaktionen der Leser angeht: Die Szene in der Haldis Höhle beispielsweise, wo die Ereignisse irgendwie einfach nur wie vom Tonband runtergespult werden, ohne die Gefühle des Lesers zu wecken. Da dachte ich oftmals, dass dies wirklich verschenktes Potenzial ist.
Allerdings muss dennoch gesagt werden, dass dieser Roman, obwohl er einige Schwächen aufweist, sehr unterhaltsam und teils sogar tiefgründig war, was bestimmt auch dem geschichtlichen Teil der Geschichte zu danken ist. Für Leser, die noch nie etwas über Werwölfe gelesen haben – so wie meine Wenigkeit – denke ich , dass dieser Roman einen guten Einstieg bietet, um sich in dieses Gebiet der Fantasy vorzuwagen.
Auch die Charaktere sind gut ausgearbeitet, weist die Geschichte meiner Meinung nach keine Mängel auf: Alles war in sich schlüssig, Handlungen nachvollziehbar.
Das Ende der Geschichte lässt den Leser auf mehr hoffen: Mit einem leichten Cliffhänger am Schluss, würde man am liebsten sofort wissen, wie es weitergeht. Also, bitte mehr, Andrea Cremer!
Ein kurzes Wort zum Cover: Wirklich wunderschön. Die Farbgestaltung passt unglaublich gut zusammen und, wenn man die Geschichte gelesen hat, denke ich, dass man auch einen SINN hinter der Gestaltung erkennt, den man ja oft bei anderen Romanen nicht entschlüsseln kann. Außerdem ist auch die Namensgebung wirklich zutreffend und natürlich auch selbsterklärend (im Verlauf der Geschichte).
Ein unterhaltsamer Roman, den man, wenn man etwas Zeit übrig hat, auf jeden Fall lesen sollte: 4/5 Sternen!