Rezension

Kochen als Lebenselixier

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens - J. Ryan Stradal

Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens
von J. Ryan Stradal

Bewertet mit 4 Sternen

J. Ryan Stradals Roman "Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens" ist eine eine Ode an das Kochhandwerk. 

In voneinander abgetrennten Kapiteln behandelt der Autor unterschiedliche kulinarische Lebenswege, wie z.B. den von Hobbybäckerin Pat Prager oder jenen von Kochgenie Lars Thorvald. Im Zentrum steht dabei die Biografie und das revolutionäre Wirken von Eva Thorvald, die nach dem frühen Tod des Vaters Lars bei Onkel und Tante aufwuchs. Ihre Mutter, die die Familie nach Evas Geburt verlassen hat, hat sie nie kennengelernt. Aus einfachen, ja, geradezu ärmlichen Verhältnissen stammend, hat sie sich mit ihren ungewöhnlichen und äußerst delikaten Kochkreationen in Nordamerika einen Namen gemacht. Sie dient innerhalb des Plots als Verbindungsglied, da alle angeführten Personen in irgendeiner Weise mit ihr bekannt bzw. verbunden ist. Durch ihre wagemutige und intelligente Art hat sie mich als Hauptprotagonistin überzeugen können. Sie weiß, was sie kann und tritt dementsprechend auf. Besonders ihre kluge Beobachtungsgabe und ihre messerscharfe Analyse ihrer Mitmenschen brachte mich zum Schmunzeln. Auch Evas Vorliebe für scharfes Chili fand ich recht sympathisch.

Stradals leichter und entspannter Erzählton fördert den Lesefluss und erzeugt damit eine ganz eigene, chillige Stimmung. Die eingestreuten Rezepte ergänzen den Text an passender Stelle und nehmen dabei nicht allzu viel Raum ein. Alles bleibt im Fluss und endet menschlich-versöhnlich. Die emotionale Ebene der Story bewerte ich als ausbaufähig, denn gerade zwischenmenschlich war noch Luft nach oben, was man von den kulinarischen Genüssen nicht behaupten kann. Ich hätte nicht vermutet, dass in den Fast Food geprägten USA solch hohe und experimentelle Kochkunst möglich ist.

Das Cover mit seinen leuchtenden Farben und den verspielt floralen Motiven (Tomate, Chili) ist ein wahres Kleinod und hat mich auf den ersten Blick an Italien (genauer: die Toskana) denken lassen. Es ist ein filigraner Eyecatcher, bei dem sich jedes Motiv/Symbol in der Lektüre wiederfinden lässt. 

FAZIT
Eine kurzweilige literarische Genussreise, die gut in die Sommerzeit passt und den Appetit anregt.