Rezension

Könnte gruseliger sein

Das Friedmann-Haus - Peter Martin

Das Friedmann-Haus
von Peter Martin

Jan ist ein Berliner Szenejournalist und Blogger und als er von dem Friedmannhaus erfährt, ist er nicht nur beruflich, sondern auch privat fasziniert. Innerhalb kürzester Zeit sind dort drei Menschen verschwunden: der Hausmeister Carl Kowalski, die Unternehmerin Bianca Meier und die BWL-Studentin Lea Daniels. Sie haben keine Spur hinterlassen, haben sich von jetzt auf gleich quasi in Luft aufgelöst. Sind sie einem Verbrechen zum Opfer gefallen? Oder steckt etwas anderes, Übernatürliches dahinter? Genau dem will Jan auf die Spur gehen und zieht in Leas ehemalige Wohnung im Friedmannhaus ein.

"Ihr verschwendet eure Zeit mit euren Hanys, checkt sinnlos Mails und tippt überflüssige Posts in eure Computer. Das normale Leben. Aber bekommt ihr überhaupt noch mit, was um euch herum passiert? Was wisst ihr über die Menschen, mit denen ihr zusammenlebt?"
(Position 105 von 3235)

Die Geschichte wird auf zwei verschiedene Arten erzählt. Da ist einmal der personale Erzähler Jan, den wir bei seiner Arbeit begleiten und durch dessen Recherchen wir mehr über das Friedmannhaus erfahren. Er ist ein recht analytischer und ruhiger Mensch, der emotionale Aspekt bleibt leider ein wenig auf der Strecke. Ich konnte ihn als Leser bei dem beobachten, was er tat, aber nicht mit ihm fühlen und in seine Gefühlswelt eintauchen. Ein bisschen mehr über seine Gedanken erfährt man in der zweiten Erzählart, bei der es sich im Bloggeinträge von Jan handelt. Zudem erfahren wir im Prolog, was mit Carl Kowalski passiert, sodass wir Leser Jan gegenüber einen gewissen Wissensvorsprung haben. Eine gut gelungene Kombination, für meinen Geschmack könnten es sogar noch mehr Bloggeinträge sein.

"Als würde eine unsichtbare Kraft ihn in der Mitte auseinanderreißen! Die Haut begann zu brennen, die Haare auf dem Kopf, Brust und Rücken fühlten sich an wie Nadelns in seinem Fleisch. [...] Licht, auf einmal überall quälend helles Licht. [...] Als er die Lider öffnete, blickte er direkt in einen alles überstrahlenden Stern. Die Hölle? Der Himmel?"
(Position 97-98 von 3235)

Bei seinen Recherchen kommt Jan unvermeidlich in Kontakt mit den anderen Bewohnern des Friedmannhauses. Was haben sie gesehen, was wissen sie, was erzählt man sich über das Haus, was haben sie dort schon erlebt. Allerdings begegnet Jan dort ahuptsächlich ziemlich durchgeknallten Gestalten, was ab einem gewissen Punkt etwas unglaubwürdig wurde. Lebt in diesem Haus wirklich kein normaler Mensch, abgesehen von Jan? Andererseits treffen wir durchaus auch sympathische Figuren in dieser Geschichte, wie den stotternden, Actionfilme liebenden Ivo, oder Jans andere Freunde Nadja und Henning.

Das wirklich Reizvolle an Das Friedmann-Haus war jedoch die ewige Frage, die sich sowohl Jan wie auch ich die ganze Zeit über gestellt haben: sind die drei Verschwunden einem Verbrechen zum Opfer gefallen oder spukt es in dem alten Haus? Haben wir es mit einem Irren oder mit einem Geist zu tun? Ist das Verschwinden der drei Leute rational oder nur übernantürlich erklärbar? Diese ständige Ungewissheit, ob das Knarzen nun einfach Geräusche eines alten Hauses oder doch etwas anderes ist, hat für einen großartigen Nervenkitzel gesorgt. In seinen Blogbeiträgen stellt Jan selbst Theorien auf, die immer gewagter werden, angefangen bei Schwarzen Löcher über eine Verschwörung des Staates bis hin zu Dämonen. Doch was ist wohl wahrscheinlicher und was trifft letztendlich zu?

Das Friedmann-Haus hätte für meine Geschmack noch deutlich gruseliger sein können, aber es hat mich gut unterhalten, und das war mir bei diesem Titel die Hauptsache.

(c) Books and Biscuit