Rezension

Köstliches Understatement

Ein Mann der Tat - Richard Russo

Ein Mann der Tat
von Richard Russo

Bewertet mit 5 Sternen

Humor ist nach wie vor ein Genre, das die wenigsten Schriftsteller beherrschen. Man kann sich darüber streiten, ob der Roman "Ein Mann der Tat" wirklich zu diesem Genre gehört. Ich finde schon. Richard Russo war mir als Autor nicht bekannt, dabei hat er schon einmal den Pulitzer Preis gewonnen. Man müsste einen zweiten Roman von ihm lesen ...gibt ja genug ... !

Bath und Shuyler sind benachbarte Kleinstädte. Während Shuyler jedoch ein aufstrebendes Wirtschaftswachstum aufweist, geht in Bath alles den Bach runter. Der gemeine Bather liest sogar listiger- und heimlicherweise den Dummokrat, die Zeitung von Shuyler, in der von den jüngsten Eskapaden des tolpatschigen Douglas Raymer, dem Chief der Bather Polizeibehörde, berichtet wird oder denen von Bürgermeister Gus Moynihan oder von den windigen Geschäften des sexbesessenen Bauunternehmers Carl Roebuck. Die Schuyler hingegen lesen die Zeitung von Bath, um informiert zu sein darüber, wo die neuesten Events der Schuyler Kinos oder den Galerien oder den Schulaufführungen oder was auch immer, stttfinden. Bather haben Pech, Schuyler haben Glück. Das war immer so und wird immer so bleiben.

In liebenswürdigster Weise nimmt der Autor das Leben amerikanischer Kleinstädtler auf die Schippe. Man lacht nicht laut los, sondern schmunzelt unentwegt in sich hinein. Auch wenn man sich immer wieder vornimmt, dass man einige von den unzähligen Banalitäten dieser Kleinstädtler des immerhin 650 Seiten fetten Buches überblättern wird, man kommt von deren diversen Verrücktheiten nicht los und saugt jedes Detail ein.

Alle Figuren sind bis ins Kleinste ausstaffiert. Sie gehen einem gehörig auf den Keks, wie sie sich untereinander auch, man lacht über sie und man liebt sie. Doch das Leben der Bather ist hart. Nur Schuyler haben Glück, Bather haben Pech. Es bestätigt sich immer wieder.

Wie überall hadern die Geschlechter miteinder. Ruth meint zum Beispiel: „…sie würde ganz bestimmt allein verreisen. Sie verspürte nicht den geringsten Drang, mit Sully oder ihrem Mann oder irgendeinem anderen Mann, Brad Pitt eingeschlossen, an einen solchen Ort zu reisen. Einen Mann in so ein makelloses Badezimmer hereinzulassen, käme einer Schändung gleich.“ Douglas Raymer kommt nicht davon los, das seine Ehe gescheitert ist und auch Gus wird aus Alice nicht schlau. Die ihm vererbt wurde. Und dann ist da noch eine Klapperschlange und Rassismus und Alkoholismus, Inkontinenz und Liebe. Alles halt.

Die Ereignisse sind genau so komisch wie sie tragisch sind. Echt komisch, echt tragisch, wie das Leben halt ist, doch wird die Tragik im Understatment des Autors halt doch wieder lustig. Das ist im Leben, also im Real Life, jetzt nicht so. Richard Russo gelingt das Genre Humor! Er hält genau die Balance zwischen nicht zu viel, so dass es ganz unwahrscheinlich würde und nicht zu wenig, so dass es langweilig wäre. Die Ereignisse sind also in ihrer Unwahrscheinlichkeit durchaus glaubhaft. Es könnte sich so zugetragen haben. Nicht überall, aber in Bath. Nicht jedoch in Schuyler. Denn? Genau. Bather haben Pech. Schuyler haben Glück. Jetzt alle im Chor: Das war so und wird immer so bleiben. Oder sollten sich die Gesetze des Universums doch noch umkehren? Ich verrate es nicht.

Fazit: Ein feines Buch mit subtilem Humor im Genre Humor. Ein Roman, der dennoch die Realität schildert,sogar auf ganz besonders tiefgründige Weise.

Kategorie: Humor  //  gute Unterhaltung
Verlag, Dumont, 2017

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 05. Juni 2017 um 09:10

Kaum hat man sich einmal umgedreht, hat diese Frau schon wieder ein Buch rezensiert! :-) Und ich hab wieder eine Rezension zu lesen! Dennoch - das Ganze über 640 Seiten? Ich weiß nicht, ob ich die Geduld dafür hätte...

wandagreen kommentierte am 05. Juni 2017 um 09:26

Man muss das so sehen: Als Bather hat man ja auch keine Wahl und muss da wohnen. Wir Leser können dann glücklicherweise wieder von dannen ziehen.