Rezension

Kriegskinder und Kriegsenkel

Bubis Kinnertied. Tüsken Wieken un Wullgras - Artur Plaisier

Bubis Kinnertied. Tüsken Wieken un Wullgras
von Artur Plaisier

Kriegskinder und Kriegsenkel

 

 

„Die Vergangenheit ruhen lassen und nach vorn schauen“  -  eine Forderung, der man immer wieder begegnet. Das mag, oberflächlich gesehen, das Leben leichter machen. Doch problematische Erfahrungen oder Erlebnisse unserer Vorfahren werden (unbewusst) an die nachfolgenden Generationen weitergegeben und können das Leben der Kinder und Enkel beeinflussen, etwa in Form von unerklärlichen  Versagens- und Verlustängsten oder Selbstbewusstseinsdefiziten. Ganz besonders trifft das auf die „Kriegsenkel“ zu, eine Generation, die zwar nie selbst einen Krieg erlebt hat; deren Eltern und Großeltern jedoch das Dritte Reich und den zweiten Weltkrieg mitgemacht haben.

Detlef Plaisir, Journalist und Autor, ist solch ein Kriegsenkel. Als er nach dem Tode seines Vaters Artur dessen Kinheitserinnerungen, die dieser im Alter aufgeschrieben hat, in den Händen hält, beschließt er, sie zu veröffentlichen.

Es ist die Geschichte eines Jungen, der von seinem alltäglichen ländlichen Leben im Ostfriesland der dreißiger und vierziger Jahre erzählt; von seiner Mutter, den älteren Brüdern und dem Vater, der im Straflager Börgermoor als Aufseher arbeitete. Schnörkellos, in schlichten Worten vermittelt Artur, genannt Bubi, dem Leser einen ehrlichen Eindruck von seiner näheren Umgebung, den Nachbarn, dem Dorf, der Schulzeit bis zum Beginn der Lehrjahre. Zahlreiche Fotografien illustrieren den Text. Sie verbildlichen jene Zeit und verleihen den Erinnerungen noch mehr Leben. „Bubis Kinnertied“ ist zwar eingebettet in Traditionen, enthält schöne und schwierige Zeiten, wird jedoch überschattet von den Ereignissen des Dritten Reiches und des Zweiten Weltkriegs: Lebensumstände, die sein alltägliches Leben beeinflussen und sicher auch belasten.

Den Aufzeichnungen Arturs folgt das Kriegstagebuch seines älteren Bruders, ein Dokument, welches das Buch im Hinblick auf das Schicksal der Soldaten an der Front und in der Kriegsgefangenschaft abrundet. Es lässt den Leser nachdenklich zurück  -  ebenso wie der kurze Epilog, den ein Psychologe zum Thema  Kriegsenkel verfasst hat.

„Bubis Kinnertied“ erzählt vom Schicksal eines Kriegskindes, mit dem sich vermutlich (noch) viele Menschen identifizieren können. Ich hoffe, es regt noch mehr Kriegskinder und  -enkel an, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen!