Rezension

Langatmige Geschichte einer Vater-Sohn-Beziehung aus dem Künstlermilieu

Die Gesichter - Tom Rachman

Die Gesichter
von Tom Rachman

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Idee ist gut, die Durchführung zu detailliert und zu langatmig.

Bear Bavinsky ist zu Lebzeiten ein berühmter, wenn auch mittelmäßiger Maler. Nicht nur Können, sondern auch die Persönlichkeit spielt beim Erfolg eine Rolle. Und die hat er im Übermaß, was besonders bei Frauen zum überbordenden Erfolg führt. Der egozentrische, rücksichtslos das eigene Ich in den Vordergrund stellende Maler richtet ein familiäres Chaos an: zahlreiche Frauen, Ehefrauen, auch gleichzeitig, 17 Kinder, die sich meist untereinander nicht kennen. Was kümmert es den großen Bear? "Ein Künstler aber kann keine Rücksicht auf andere nehmen." (83)

Nur einer scheint sein Auserwählter zu sein: Charles, genannt 'Pinch', der seinen Vater abgöttisch liebt und bewundernd zu ihm aufschaut. Großes Mitleid erfüllt den Leser, denn es ist ganz offensichtlich, dass der große 'Bear' ein Blender ist, ein verantwortungsloser Mensch, der viele Versprechungen macht und keine davon hält. Doch nichts kann die Bewunderung des Jungen mindern. Er lechzt nach der Anerkennung seines Vaters, beginnt zu malen und bekommt vom Vater den Dämpfer seines Lebens verpasst, als der geringschätzig sein grausames Urteil verkündet: "… ein Maler bist du nicht, und du wirst auch nie einer werden." (99)

Was wird der junge Charles also? So recht weiß er mit seinem Leben nichts anzufangen. Er studiert Kunstgeschichte, macht seinen Doktor, ist mit Fremdsprachen recht begabt und bleibt schließlich als Sprachlehrer für Italienisch in London hängen. Er hat kein Charisma, sieht nicht gut aus, hat schüttere Haare und einen Bauch und schafft es nicht, eine dauerhafte Beziehung zu einer Frau aufzubauen.

Es dauert lange, bis 'Pinch' selber merkt, wie er zu seinem Vater steht, dass er ihn hofiert und ihm nach dem Munde redet. Er sieht ganz klar, warum sein Vater IHN auserwählt hat, auch als Erben seiner Bilder, seines Nachlasses: weil er schwach ist und stets den Willen des Vaters erfüllt hat.

Doch dann die Kehrtwendung: "Bear sollte nie begreifen, dass das der Moment war, in dem sein Sohn übernahm." Der weitere Fortgang der Geschichte kann hier nicht verraten werden, nur so viel, dass 'Pinch' doch noch eine Art bescheidenes Lebensglück findet, einen Sinn in seinem Tun.

Das alles hat der Autor in zwar schöner Sprache erzählt, mit vielen klugen Überlegungen und Beobachtungen:

"… weshalb er seine Fragen stellt, die zwischen sie fallen wie tote Fliegen." (199) - "London findet er rauer als damals, nur eine dünne Schicht Anstand überzieht tiefe Pfützen voller Aggression." (203)

Aber leider wird das Ganze langweilig, weil es zu viele ausufernde Dialoge gibt, viele Sätze, die das Buch unnötig aufblasen und die man nicht vermissen würde. Gedanken zur Kunst und die mehrfache Erwähnung berühmter Maler wird nur für die Leser interessant sein, die sich ein wenig in Kunstgeschichte auskennen.

"Kunst dagegen ist nie ganz gut oder schlecht. Kunst ist einfach ein anderes Wort für 'Meinung'." (41) - "Früher haben Künstler nach Schönheit gestrebt. Jetzt wollen sie alle nur 'was aussagen'." (124)

Alles in allem: ein von der Handlung in sich abgerundetes Buch in schöner Sprache, das aber leider zu langatmig daher kommt und besonders im Mittelteil zu ausschweifend erzählt.