Rezension

Lockerleichte, witzige Urlaubslektüre, die im letzten Drittel ins Lächerliche abdriftet.

Kopf aus, Herz an - Jo Watson

Kopf aus, Herz an
von Jo Watson

Worum geht es? Sieben Worte braucht es, um Lillys Hochzeit platzen zu lassen. Ohne Begründung speist ihr Verlobter Michael sie mit den Worten „Es tut mir leid, ich kann nicht“ ab, hingekritzelt auf ein Stück Papier, und lässt sie vor 500 Hochzeitsgästen sitzen. Lillys Welt liegt in Scherben, bis sie am nächsten Tag kurzerhand beschließt, allein in die Flitterwochen zu fliegen und sich davon nicht unterkriegen zu lassen. Im Flugzeug trifft sie auf Damien, einen Typen mit düsterer Ausstrahlung, Tattoos und stechendem Blick. Der Typ Mann, dem sie eigentlich nichts abgewinnen kann. Damien ist aber ganz anders, als sie erwartet, und es dauert nicht lange, bis er auch der Grund ist, warum sie immer weniger an Michael denkt und mal endlich etwas in ihrem Leben riskiert. Ganz nach dem Motto: „Kopf aus, Herz an“.

Meine Meinung

„Kopf aus, Herz an“ stellt einen der etwas selteneren Fälle dar, bei denen Buchtitel und Inhalt zusammenpassen. Oft sucht man diese Verbindung ja vergeblich, hier jedoch passen die beiden wie die Faust aufs Auge.

Lilly ist eine Protagonistin, deren Charakter sich schon durch eben jenen Buchtitel erschließen lässt. Sie ist ein Kontrollfreak, hat in ihrem Leben nie etwas riskiert und Pläne gemacht, an die sie sich strikt zu halten gedenkt. Zu diesen Plänen gehört auch Michael, der all ihre gewünschten Attribute erfüllt. Mit seiner Zurückweisung zerplatzt ihre perfekte Seifenblase und es kommt einiges ins Rollen. Die daran anschließenden Tage sind vor allem durch ihre Tollpatschigkeit gekennzeichnet, die sie immer wieder in peinliche Situationen bringt, über die der Leser nur breit grinsen kann. Schon hier zeigt sich, dass das Buch seine Prioritäten auf oberflächliche Unterhaltung und Lacher setzt und Tiefe hier vergeblich gesucht wird. Während ich dies in der ersten Hälfte des Buches noch charmant und unterhaltsam fand und mich über Lillys Art mit jeder Seite mehr amüsiert habe, drifteten die witzigen Stellen aus der zweiten Hälfte ins Lächerliche und Absurde, sodass ich statt zu lachen immer öfter die Augen verdreht habe. Meine Sympathie für Lilly schwand, was zum einen an ihrer völlig überzogenen Art und zum anderen an ihrer vorurteilsbehafteten Einstellung lag. Dass sie andere Menschen nach ihrem Aussehen beurteilt, kommt schon in den ersten Kapiteln durch, ist dort jedoch noch zu verzeihen, da man davon ausgeht, dass sich dies mit Damiens späterem Einfluss ändert. Das passiert aber leider nicht. Auch später noch denkt sie gehässig über andere Frauen, die in ihren Augen hübscher sind als sie. Das war unglaublich nervig. Meiner Meinung nach sucht man eine Charakterentwicklung bei ihr vergeblich, denn bis auf die Tatsache, dass in den letzten Kapiteln mehrmals erwähnt wurde, wie sehr sie und ihr Leben sich verändert haben, sehe ich außer ein paar oberflächlicher Veränderungen keine Anhaltspunkte dafür.

Damien ist in seinem Verhalten und seinem Charakter ebenfalls eine Konstante, dafür jedoch eine angenehme. Er bildet einen schönen Kontrast zu Lilly, ist eher ruhig und besonnen und genießt das Leben in vollen Zügen. Trotz reicher Eltern zieht er eine Rucksacktour teuren Hotels vor, verdient sich sein Geld unterwegs als Kellner oder… durch andere Jobs. (:D) Er ist es, der Lilly zum ersten Mal in ihrem Leben dazu bringt, Risiken einzugehen und das Herz an und den Kopf auszuschalten. Hat sie ihn aufgrund seines düsteren Aussehens zu Anfang noch in die Junkie/Drogendealer-Schublade gesteckt – wo wir wieder bei besagten Vorurteilen wären – überzeugt er sie mit seinem sympathischen, hilfsbereiten und fürsorglichen Charakter davon, dass er ein wirklich lieber und anständiger Kerl ist, den auch ich sofort ins Herz geschlossen habe.
Das einzige, was ich an ihm auszusetzen habe, ist die Tatsache, dass ich mein Bild von ihm immer wieder revidieren musste. Zu Anfang wird er als typischer Bad-Boy dargestellt: Stechender Blick, düstere Ausstrahlung, Tattoos und und und. Dann jedoch kam die positive Überraschung: Statt vor Muskeln zu strotzen, wird er als schmal und blass beschrieben, und auch seine Gesichtszüge sollen angeblich nicht die eines schönen Mannes sein. Das fand ich erfrischend, weil wir es dann zur Abwechslung mal nicht mit einem Schönling, sondern einem echten Menschen zu tun haben. Leider wurde auch dieses Bild schnell revidiert, denn auf einmal nennt Lilly ihn doch den „schönen Damien“, der trotz seiner schmalen Statur Bauchmuskeln aus Stahl und ein Bad-Boy-Lächeln auf den Lippen trägt. Das fand ich irgendwie schade.

Gut gefallen hat mir der Schreibstil, der aufgrund von Klammersätzen, die sich direkt an den Leser richten, stellenweise etwas gewöhnungsbedürftig war, was mich aber nicht großartig gestört hat. Die einzelnen Settings, die etwas Besonderes waren und dem Leser dieses Urlaubsfeeling vermittelt haben, werden schön beschrieben, sodass man sie sich in Gedanken gut nachzeichnen kann. Auch in der Story werden einem in den ersten beiden Dritteln neue Häppchen vorgesetzt, die man so noch nie in anderen Büchern gelesen hat. Im letzten Drittel wird dann jedoch leider in die Klischeekiste gegriffen, sodass das Buch auf den letzten Seiten auch keine Überraschungen mehr bereithält. Dennoch wird das Buch mit einer zwar vorhersehbar kitschigen, aber auch süßen Schlussszene abgerundet, die zum restlichen Buch – oder zumindest zu der ersten Hälfte – gepasst hat.

Fazit

Dieses Buch hatte mir zu Anfang so sehr gefallen. Ich habe viel gelacht, die Charaktere ins Herz geschlossen und wurde dann leider vor allem im letzten Drittel sehr enttäuscht. Auf einmal wirkte alles nur noch absurd, sodass ich weder Story noch Charaktere (außer Damien) länger ernst nehmen konnte. Aufgrund dessen ist meine Bewertung leider auf 3,5 Sterne abgesunken.
Aber das Buch kann man definitiv mal lesen, wenn man wirklich nur lachen und keine tiefgründige Story mit facettenreichen Charakteren möchte.