Rezension

"Mein einziges Geschenk an die Toten ist die Gerechtigkeit"

Tödlicher Frühling - Tom Callaghan

Tödlicher Frühling
von Tom Callaghan

Kirgisistan, ehemalige Sowjetrepublik, unabhängig seit 1991, gelegen zwischen Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan und China, ist nun nicht unbedingt die erste Adresse, die einem einfällt, wenn es darum geht, Handlungsorte von Kriminalromanen zu benennen. Aber genau diesen zentralasiatischen Binnenstaat hat sich der englische Autor Tom Callaghan ausgesucht, um dort seinen sturköpfigen Protagonisten Akyl Borubaew ermitteln zu lassen, der in „Tödlicher Frühling“ (Band 2 der Reihe) im Zentrum des Geschehens steht.

Der Inspektor der kirgisischen Mordkommission wurde nach den in „Blutiger Winter“ (Band 1 der Reihe) geschilderten Ereignissen, die im wahrsten Sinne des Wortes seinen Vorgesetzten den Kopf kosteten, in einen entlegenen Winkel des Landes strafversetzt. Dass aber auch dort das Verbrechen nicht schläft, muss Akyl spätestens dann feststellen, als auf einem abgelegenen Feld die oberflächlich verscharrten Leichname mehrerer Kinder gefunden werden, alle mit Namensbändern von Waisenhäusern um die Handgelenke. Gemeinsam mit der usbekischen Agentin Saltanat nimmt Akyl die Spur auf und die beiden fördern Erschütterndes zutage.

Es sind mächtige, einflussreiche Männer, denen sie in die Quere kommen, mit denen man sich besser nicht anlegen sollte. Aber die toten Kinder sind nur die  Spitze des Eisbergs, Kollateralschäden, wie einer der Verdächtigen während einer Befragung äußert, deren Schicksal niemand kümmert. Außer Akyl und Saltanat, die alles daran setzen, den Verantwortlichen das Handwerk zu legen, auch wenn sie dafür ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen müssen.

„Mein einziges Geschenk an die Toten ist die Gerechtigkeit“, so Akyl Borubaew, und um diese zu erlangen, ist ihm jedes Mittel recht, denn manchmal müssen auch die Guten böse Dinge tun, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Er ist ein sympathischer Ermittler, zutiefst moralisch integer und knallhart, wenn es erforderlich ist, der weder sich selbst noch seine Gegner schont. Innerlich zerfressen von Schuldgefühlen, weil er das Leiden seiner krebskranken Frau nicht mehr mitansehen kann und sie erlöst. Aber der Preis, den er dafür zahlt ist hoch, denn die Liebe seines Lebens hat er nun für immer verloren. Zwischen ihm und seiner usbekischen Kollegin Saltanat ist die Luft geladen, und man darf gespannt sein, wie sich diese Beziehung weiterentwickeln wird.

Das Bild, das der Autor von der kirgisischen Gesellschaft zeichnet, ist deprimierend. Jeder, ganz gleich in welcher Position, ist käuflich. Polizei, Justiz, Regierung, alle sind bestechlich und auf ihren eigenen Vorteil bedacht. Ein Menschenleben zählt nichts und wird, ohne mit der Wimper zu zucken, geopfert.

Wer einen Kriminalroman lesen möchte, der aus dem üblichen Raster fällt, dem sei Tom Callaghans „Tödlicher Frühling“ empfohlen, eine spannende Story mit sympathischen Protagonisten, die in einem Land ermitteln, das hierzulande kaum bekannt ist.