Rezension

Melancholischer Roman über Liebe, Familie und Geborgenheit

Länger als sonst ist nicht für immer - Pia Ziefle

Länger als sonst ist nicht für immer
von Pia Ziefle

Wir haben nur dieses eine Leben. Und manchmal haben wir auch nur diese eine Liebe. Die uns herausfordert, die uns an unsere Grenzen bringt. Die von uns verlangt, miteinander zu kämpfen, einander womöglich immer und immer wieder zu verletzen, solange wir einander nicht verstanden haben, und die erst hilft, uns zu versöhnen, wenn etwas Unumkehrbares geschehen ist. Dann erst zwingt sie uns, mit den Augen des anderen auf das eigene Leben zu sehen (S. 262)

Inhalt

Ira wird an einem Sommertag im Jahr 1976 geboren. Sie, Fido und Lew eint, dass sie von ihren Eltern verlassen oder bei diesen nicht erwünscht waren. Bei Ira ist es die Mutter, die ihr von frühester Kindheit an zeigt, dass sie nicht willkommen ist. Ihr Vater trägt ein dunkles Geheimnis mit sich, welches er sich erst im Kampf mit dem Tod eingesteht.

Lew und sein Bruder sind Opfer der Republikflucht der Eltern, die nicht nur das Ende des gewohnten Familienlebens einläutet, sondern auch einen Neuanfang in einer Pflegefamilie. Fido wächst bei seinem Großvater auf, nachdem ihn seine Mutter für ihre neue Beziehung verleugnet und ablehnt in ihrer Familie aufzunehmen.

Doch nun sind sie an einem Wendepunkt. Iras Vater liegt im Sterben und sie kümmert sich um ihn in seinen letzten Stunden. Und als Lews Mutter ertrinkt macht er sich auf nach Indien, um dort Antworten auf Fragen zu bekommen, die ihn schon lange quälen.

Meine Meinung

Pia Ziefle hat mit "Länger als sonst, ist nicht für immer" ein ruhiges und melancholisches Buch über Familie, Liebe, Freundschaft und Geborgenheit geschrieben. Die drei Hauptprotagonisten Ira, Lew und Fido stehen im Fokus der Geschichte, wobei Dreh- und Angelpunkt Ira ist.

Ihnen allen fehlen Wurzeln, sie werden durchs Leben getrieben, begegnen sich immer wieder und sind sogar zeitweise in der Lage sich gegenseitig Halt zu geben. Im Zentrum des Geschehens steht die kleine Bäckerei von Evi, bei der nicht nur Fido und sein Großvater Unterschlupf finden, sondern auch Ira auf eine Geborgenheit trifft, die zu Hause Mangelware ist.

Ira ist die Mutter von John, arbeitet in der Bäckerei und kümmert sich um ihren im Sterben liegenden Vater Cornelius. Sie wird in eine raue Welt geboren, in der ihre psychisch kranke Mutter nicht fähig war sie zu lieben und ihr Vater dies ein wenig zu intensiv tat. Sie begleitet Cornelius bei seinem schweren Kampf mit dem Tod und hilft ihm dabei sein Geheimnis zu offenbaren.

Als Lew erfährt, dass seine Mutter in Indien ertrunken ist, macht er sich auf den Weg, um endlich Antworten auf seine Fragen zu finden. Doch die Fahrt zu seinem Vater wird erschwert, als er den falschen Bus nimmt und in einem indischen Dorf strandet. Er nimmt uns während seiner Reise mit in die Vergangenheit, als er und sein Bruder Manuel zurück gelassen wurden. Aber warum haben seine Eltern dies getan? Dies möchte Lew endlich klären, damit er Ruhe findet und die quälenden Gedanken ein Ende haben. Bei dem Aufeinandertreffen mit seinem Vater erfährt er eine Wahrheit, die fassungslos macht.

Fido ist der Getriebene, der immer nur sporadisch in Erscheinung tritt. Er ist der einzige in der Geschichte, der ein wenig blass und farblos bleibt. Ihn und Ira verbindet eine Liebe, die in der frühesten Kindheit begann. Aber auch er musste erfahren, was es heißt abgelehnt zu werden, als seine Mutter ihn verleugnete und bei dem Großvater lies, um mit ihrem neuen Mann eine Familie zu gründen.

Trotz Schicksalsschlägen und dramatischer Erlebnisse wird die Geschichte nie laut, sondern bleibt über den gesamten Verlauf leise und melancholisch. Selbst der letzte Weg von Cornelius, auf dem Ira ihn begleitet und verabschiedet, wird so einfühlsam beschrieben, dass es wohl kaum jemanden kalt lassen dürfte. Und obwohl der Roman zart und poetisch ist, wird er an keiner Stelle langweilig.

Besonders faszinierend finde ich den Aufbau des Buchs. Geschehnisse werden angedeutet, oft nicht richtig ausgeleuchtet. In jedem Kapitel wird ein wenig mehr von der Geschichte enthüllt und die Spannung hält bis zum Schluss. Auch das Ende ist wirklich großartig gewählt.

Fazit

"Länger als sonst ist nicht für immer" ist ein wunderbarer, tiefgründiger, berührender Roman. Pia Ziefle ist eine großartige Erzählerin, die nicht beschönigt, aber voller Mitgefühl ihre Geschichte schreibt. Eine Geschichte, für die ich gerne eine Leseempfehlung aussprechen möchte.