Rezension

Mensch und Wolf - von der Wiederansiedlung einer Wolfspopulation in den schottischen Cairngorms

Wo die Wölfe sind -

Wo die Wölfe sind
von Charlotte McConaghy

Bewertet mit 4 Sternen

Inti und Aggie sind in den Wäldern British Columbias aufgewachsen und im australischen Sydney. Verschiedener als ihre Eltern können zwei Menschen kaum sein und es wundert kaum, dass das Paar die weitest denkbare Entfernung zwischen sich gelegt hat. Während die Mutter als Polizistin motiviert ist, ihre Töchter vor dem draußen lauernden Bösen zu warnen, vermittelt der Vater ihnen den Einklang mit der Natur. Nach seinen Prinzipien soll der Mensch nur so viel jagen, wie er zum Leben benötigt, und der Natur dafür danken.

Nach einer Tätigkeit in Alaskas Denali Nationalpark kommt die inzwischen erwachsene Inti  in die Cairngorm Mountains in Schottland, um dort als Biologin ein Wolfs-Ansiedlungsprojekt zu organisieren. Privat lebt Inti mit ihrer Schwester Aggie zusammen, die – schwer traumatisiert – aufgehört hat zu sprechen und das Haus nicht verlässt. Neben dem Auswildern mehrerer Wolfsrudel gehört zu den  Aufgaben des Wolfs-Teams auch der Kontakt zu den Einheimischen, die dem Projekt reserviert gegenüberstehen. Die Interessen von Schafzüchtern und wohlhabenden  Landbesitzern, deren Geschäftsmodell der Luxus-Jagdtourismus ist, hat bisher niemand ausgleichen können. Um den Klimawandel zu verlangsamen, müssen unbedingt große Flächen wieder aufgeforstet werden. Der zu große Rotwild-Bestand lässt den Baum-Schößlingen jedoch keine Chance. Wölfe als „Spitzenpredatoren“  würden ins bequeme Leben des Rotwilds mehr Bewegung bringen und sollten daher im Interesse der Waldbesitzer sein. Bisher verharrt die Region jedoch auf der Einstellung, Wölfe wären gefährlich für Menschen und würden die Lebensgrundlage der Schafzüchter zerstören.

In dieser gespannten Situation kommt es im Ort zu einem Todesfall, der Wasser auf die Mühlen der Wolfsgegner sein könnte. Die Gewalttat erweist sich als Katalysator für alte Konflikte in der Gemeinde und konfrontiert McConaghys  Icherzählerin Inti mit dem Trauma, das Aggie buchstäblich die Sprache verschlagen hat.

Ähnlich wie in „Zugvögel“ verbindet Charlotte McConaghy ein drängendes ökologisches Problem mit der komplizierten psychischen Verfassung ihrer Heldin. Das Wolfsthema ist dabei nur ein Handlungsstrang von mehreren. Mit Inti tritt eine Protagonistin voller Ecken und Kanten auf, die durchaus gegen ihr Berufsethos als  Wildbiologin verstößt und nicht unbedingt rational handelt. Die Erzählperspektive einer Icherzählerin kann ihre Tücken haben. Hier finde ich sie ausgezeichnet gelungen. Der Roman lässt sich angenehm lesen und überzeugt mit der klaren Darstellung des „Wolfs-Konflikts“.