Rezension

Merkwürdig, merkwürdiger, Eleanor!

Eleanor - Jason Gurley

Eleanor
von Jason Gurley

Puh, das wird eine schwierige Rezension. Es war aber auch ein schwieriges Buch. Ich bin auf „Eleanor“ durch den interessanten Klappentext aufmerksam geworden, der genau nach meinem Geschmack klang. Dann waren die ersten Rezensionen so widersprüchlich und sprachen von einem besonderen Buch – und Besonderes nehme ich doch immer gern! :D

Der Schreibstil an sich ist gut und flüssig, nur traf die Erzählperspektive in der dritten Person im Präsens nicht meinen Geschmack. Es liest sich einfach nur merkwürdig, wenn aus Eleanors Sicht erzählt wird und da steht: „Eleanor tut dies, Eleanor tut das.“ Ihr Name wird oft erwähnt und vielleicht war das Absicht, denn dadurch bleiben einem die Charaktere fern und die Ereignisse bekommen einen Märchencharakter. Diese Distanziertheit zu den Figuren bleibt leider das ganze Buch lang erhalten.

Zur Geschichte selbst kann ich nicht viel sagen, die sollte jeder Leser für sich selbst entdecken. Und wenn ich ehrlich bin, würde ich mir daran auch die Zähne ausbeißen. Denn so richtig schlau wurde ich nicht aus der Sache. Ich dachte die ganze Zeit nur „Hä? Wie jetzt? Und wer soll das denn sein?“ und es türmte sich Fragezeichen über Fragezeichen in meinem Kopf. Bis kurz vor Schluss, wo dann einiges aufgeklärt wird, schwamm ich orientierungslos im dahinplätschernden Fahrwasser der Geschichte.

Es kann durchaus reizvoll sein, wenn man bei einem Buch miträtseln kann, und das ist normalerweise auch genau meins, nur war es hier zu viel des Guten. Zeitweise habe ich den Faden verloren und wusste nicht, worauf der Autor überhaupt hinauswill. Dadurch verlor ich jegliches Interesse an der Story und blieb verwirrt irgendwo zwischen den Seiten hängen … Die Story wird zu allem Überfluss sehr detailliert und ausschweifend geschildert – es gibt unnötige Details und überflüssige Szenen, die hätten gekürzt werden können. Auch wird zu viel zwischen den verschiedenen mysteriösen Charakteren und Zeiten hin und her gesprungen und dadurch fehlte der Fokus.

Aber das größte Problem hatte ich mit der „Ausstrahlung“ der Geschichte. Die Story ist durchweg deprimierend, melancholisch und schwere Kost. Es dreht sich viel um Alkoholismus, mysteriöse Krankheiten und Depressionen und es gibt keinen Hauch von Humor oder Leichtigkeit. Es hätte auch nicht zum Buch gepasst, wenn es fröhliche Momente gegeben hätte und manche Leser schätzen wohl gerade diese düstere Atmosphäre, aber so KOMPLETT ohne irgendeinen Lichtblick auf über 400 (!) Seiten, das war heftig! So entwickelte ich leider nach und nach einen Widerwillen gegen das Buch und habe es nicht gern zur Hand genommen. Ich war, ehrlich gesagt, froh, als ich endlich fertig war und wäre es kein Rezensionsexemplar gewesen, hätte ich es wohl abgebrochen …

Trotzdem muss ich sagen, dass das Buch irgendetwas Besonderes an sich hat. Es ist mit nichts, aber auch GAR NICHTS vergleichbar, das ich je gelesen habe! Man spürt, wie viel Mühe und jahrelange Arbeit der Autor in sein Werk gesteckt hat, und dafür hat er meinen Respekt. Auch ist der Schreibstil an sich nicht schlecht und ausgereift und das Ende war gut umgesetzt. Es brachte Aufklärung, nur leider hat es mich dann schon nicht mehr interessiert, wie es mit den Charakteren zuende geht …

Fazit: Ein Buch, das schwer zu beschreiben und noch schwieriger zu lesen ist. Man muss Lust auf die düstere Geschichte haben und sich auf viel Trauer und Verwirrung einlassen können. Ich konnte es leider nicht. Die Story zog mich stimmungsmäßig sehr runter und stieß mich sogar zeitweise ab. Trotzdem hat Eleanors Lebensgeschichte eine ganz besondere Ausstrahlung und ist mit nichts vergleichbar, was ich je gelesen habe. Der Autor hat wirklich viel Mühe und Arbeit in sein Werk gesteckt. Ich würde ein gemeinsames Lesen empfehlen, sodass man sich austauschen kann und nicht wie ich allein im Wald der Merkwürdigkeiten stehen gelassen wird …