Rezension

MIAMIKULTUR

Back to Blood -

Back to Blood
von Tom Wolfe

Bewertet mit 5 Sternen

Vorspann: Dieser Roman aus dem Jahr 2012 (Hörbuchversion) hat mich nachhaltig beeindruckt und das, obwohl das Timbre von dem einsprechenden Frank Arnold mir überhaupt nicht liegt. Aber er hat es so gut gemacht, dass ich meine Aversion glatt vergessen habe. Ob einem das Timbre einer Stimme liegt oder nicht, ist natürlich rein subjektiv und hat mit Fähigkeiten oder Unfähigkeiten eines Sprechers nichts zu tun. Insofern fließt Vorliebe/Nichtvorliebe nicht in die Wertung ein, ich erwähne es lediglich, weil Frank Arnold mich trotzdem hundertprozentig überzeugte! 

„Back to blood“ sollte man am besten hören, denn es ist ein lautmalerischer Roman. Zu Anfang hat es mich kirre gemacht, wenn Arnold Worte xmal wiederholte „raste, raste, raste!“ etc. Aber es passt eigentlich sehr gut zum Roman. Und man gewöhnt sich. Diese Wortwiederholungen passieren auch nicht in jedem Satz, keine Sorge! 

Inhalt: Nachdem dies alles gekärt ist, können wir mit dem Inhalt beginnen: Ausnahmsweise einmal hole ich weit aus, um euch den Roman schmackhaft zu machen. 

Die Superhelden sind eine Mischung aus Antihelden und widerwilligem, dann doch funktionierendem Heldentum. Den männlichen Part bekommt Nestor Camacho, den weiblichen Magdalena Otero auf den Leib geschrieben. Beide sind anfangs ein Liebespaar und gehören zur kubanischen Minderheit in den USA, jedoch nicht in Miami, wo Kubaner die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Rassismus ist überall. Offen. Sublim. Scheinheilig in der Öffentlichkeit kritisiert und gebrandmarkt. Im Alltag, aber vor allem in den Hirnen festsitzend. Wehren kann man sich nicht immer. 

Nestor ist Polizist. Sein weißer Vorgesetzter ist im Ungang mit seiner Crew offen rassistisch, verkleidet in witzelnden Sarkasmus. „Ist ja alles nur ein Scherz, Camacho“. Aber es ist nie so krass, dass Nestor sich beschweren könnte. Überhaupt ist das so eine Sache mit dem Beschwerde führen über Vorgesetzte! Vordergründig sind im Team alle gleich. Aber es ist seltsam, dass es immer nur Nestor ist, der die prekären Aufträge, die der Sergeant erteilt, ausführen muss, so eines Tages auch, als er einen kubanischen Flüchtling, der es auf eine Yacht geschafft hat und bereits in Miami ist, aber noch nicht den Fuß auf amerikanischen Boden gesetzt hat (very important) von einem Masten herunterholen soll, der 30 Meter (oder 20- no idea) hinaufragt. Was für ein Glück, dass Nestor jede freie Minute im Gym verbringt, denn diese Aufgabe ist lebensgefährlich und erfordert Muskeln und Verstand. „Du hättest dich ja weigern können“, sagt seine Freundin. Aber. Auch das ist so eine Sache. Sein Sergeant lauert ja nur darauf, dass Nestor versagt. Dann wird Nestor nie befördert. Und man wird ihm das Leben zur Hölle machen. Das weiß Nestor. 

Die Hierarchie ist: Weiße, Kubaner, Schwarze, dann alles andere. So habe ich es verstanden, wenn ich auch mit den nuanciertesten Feinheiten dieser Hierarchie nicht vertraut bin. Offiziell gibt es keine Farbenhierachie. Aber inoffiziell sieht es anders aus, denn die Diskriminierten diskriminieren ihrerseits. 

Auch sozial gibt es gravierende Ungleichheiten. Magdalena Otero möchte aus ihrer Schicht heraus, weg von dem sie umklammernden Familienklüngel, der sie zwar trägt, aber sie auch ihres Geschlechts wegen in mancherlei Hinsicht beschränkt.Sie hat eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht, arbeitet aber nicht mehr im Krankenhaus, sondern bei einem (weißen) Psychiater. Dieser Psychiater wiederum … aber das muss man selber lesen. Miss Otero jedenfalls setzt mehr auf ihre reichlich vorhandenen weiblichen Reize als auf ihre Ausbildung, um weiterzukommen. 

Wie sich Otero und Camacho auf höchst unfreiwillige Weise beruflich und privat versticken, das ist höchst amüsant zu lesen, manchmal ist es sehr süffig, manchmal skurril, Nestor ist ein Charakter zum Verlieben: ganz Macho, vollkommene Eitelkeit, gepaart mit Aufrichtigkeit und Nationalstolz. Er stolpert von einer Patsche in die nächste und kann doch nichts dafür. Er steht auf der Blacklist seiner Vorgesetzten. Miss Otero, hm, ist, hm, wunderschön, sprich rattenscharf. Sie ist gescheit und verkauft sich doch stets unter Wert. Leider ist sie auch berechnend und egoistisch. Sie hat eine gute Beobachtungsgabe und Freunde, die sie nicht zu schätzen weiß. Miss Otero befindet sich im freien Fall, sie weiß es nur noch nicht. 

 Der Kommentar: Tom Wolfe hat eine runde Milieustudie zu Papier gebracht, beißende Ironie, Einfallsreichtum (ich habe so oft gelacht), eine originelle Story rund um russische Oligarchen, den Verwaltungsapparat Miamis, Aufsteiger und Absteiger, Künstler und Mäzene, jede Menge Charakterstudien, den Polizeiapparat, die Presse - es bleibt in diesem Roman nichts zu wünschen übrig. 

Fazit: „Back to blood“ ist Gesellschaftskritik mit Anspruch und beste Unterhaltung zugleich. Ein Beitrag gegen Rassismus, der ohne erhobenen Zeigefinger, Schuldzuweisungen und Gejammere auskommt, aber nicht minder schwer wiegt.  „Back to Blood“ ist in jeder erdenklichen Weise ein origineller Roman. 

Verlag: Hachette Audio am 23.10.2012
Kategorie: Belletristik