Rezension

Mitten aus dem Leben, ein bisschen skurril und ganz besonders menschlich

Nicht aus der Welt -

Nicht aus der Welt
von Anne Köhler

Bewertet mit 4 Sternen

Friederike, Hempel, Linda, Valentin... mit diesen Menschen haben wir es in Anne Köhlers ganz besonderem Roman (überwiegend) zu tun. Einer von ihnen ist Architekt und Inhaber eines ausgefallenen, versteckten Hotels in Berlin, die anderen sind dort Gäste. Jede*r von ihnen (einschließlich Hotelbesitzer Valentin) hat ein ordentliches Päckchen zu tragen und befindet sich in einer sehr schwierigen Situation. Linda ist schon länger im Hotel, Friederike und Hempel werden quasi neu "rekrutiert". Es ist ein Hotel, das die Gäste zum absoluten Rückzug einlädt. Es ist geheim und verspricht die Einhaltung der Privatsphäre eines jeden Gastes. Aufgrund der ganz speziellen Architektur des Hotels kann man sich schnell verirren und begegnet im Normalfall keiner Menschenseele. Valentin hat alles gut im Blick. Hofft er. Doch dann verselbständigt sich so einiges, womit der Hotelbesitzer niemals gerechnet hat...

Sehr feinfühlig erzählt die Autorin die Geschichten dieser Menschen und bringt mich dazu zu verstehen und mitzufühlen. Es sind Geschichten mitten aus dem Leben und könnten genauso jede*n von uns betreffen. Ich habe sogar hin und wieder inne gehalten und mich selbst in den Personen ein Stück weit erkannt. Die Idee mit einem "Hotel zum Verschwinden" und Abschalten ist dann schon eine gewagte Sache und ich frage mich, ob diese Personen in der Realität tatsächlich so mutig gewesen wären dort einzuchecken. Denn eines zeigt sich doch im Verlauf dieser Geschichte: am wichtigsten ist wohl nicht das Alleinsein. Zumindest nicht für längere Zeit. Viel wichtiger ist das Miteinander, zwischenmenschliche Aktion. Von daher sollte Valentin das Konzept seines Hotels - auch um seiner selbst willen -  vielleicht noch ein wenig überarbeiten ;-)

Zum Ende hin wird der Roman dann fast schon ein bisschen klamaukig. Aber das stört nicht, es passt. Es lässt vieles mit einem Schmunzeln betrachten. Die Ernsthaftigkeit des Romans leidet darunter nicht. Nicht zuletzt, weil immer wieder, bis zum Schluss, wunderbare (psychologisch) kluge Gedanken eingestreut werden, die zum Verweilen auffordern. Einige (Neben-)Charaktere erscheinen mir allerdings als entweder zu wenig oder gar zu viel beleuchtet. Das ist ein kleiner Kritikpunkt meinerseits. Der teils offene Schluss ist aber nicht das Problem, hier werden durchaus Möglichkeiten angedeutet und das reicht mir.

Ich habe das Buch sehr gern gelesen, es liest sich flüssig, es wärmt, es schafft Lichtpunkte in der dunklen Jahreszeit. Hat mir Freude bereitet :)