Rezension

Mörderisches Krimifestival

Bitterer Calvados - Catherine Simon

Bitterer Calvados
von Catherine Simon

Bewertet mit 5 Sternen

In "Bitterer Calvados" gibt es ein spannendes Wiedersehen mit Kommissar Jacques Leblanc aus Deauville in der Normandie.
Hier findet alljährlich das Krimifestival "Mord am Meer" statt, das in diesem Frühling mit einer besonderen Attraktivität aufwartet: Jean-Paul Picard, kurz JPP genannt, seines Zeichens Bestsellerautor einer Reihe von brisanten Kriminalromanen und Frauenschwarm, hat sein Erscheinen angekündigt!
Doch unglücklicherweise wird er bereits kurz nach seiner aufsehenerregenden Lesung tot im Hotelzimmer gefunden, ermordet, wie es schnell offensichtlich wird, durch Zyankali, das ihm mit einem Glas Calvados, seinem bevorzugten Getränk, verabreicht wird...
Auf Kommissar Leblanc und seine Assistentin Nadine kommen sich mühsam gestaltende Ermittlungen zu, in deren Verlauf sich eine Szenerie aus Habgier, Neid, Skrupellosigkeit und Rache entfaltet, die den Leser bis zur Auflösung zum Mitdenken und Miträtseln auffordert.

"Wer Erholung von blutig-düsteren Schweden-Krimis braucht, findet sie in der Normandie" liest man auf dem Klappentext!
Eine treffende Charakterisierung des Romans, wie ich zu meiner Freude bald feststellen konnte!
Der Fall, mit dem es der lebensfrohe Jacques Leblanc zu tun hat, entbehrt dabei keineswegs der Spannung, was wieder einmal beweist, dass ein guter Kriminalroman auch durch andere Elemente fesseln kann als durch blutige, möglichst grausame Details und irre Mörder, deren kranke Phantasie auf mich persönlich eher abstoßend wirkt.

Catherine Simon erzeugt Spannung auf eben jene subtile Art, die ich an einem guten Krimi besonders schätze - auf psychologischer Ebene nämlich!
Leblanc möchte vor allem verstehen, was für eine Art Mensch der Ermordete war und was seinen Mörder veranlasste, ihn zu töten.
Dabei durchleuchtet er JPPs Umfeld, schaut in seine Vergangenheit, geht jeder nur möglichen Spur nach, von denen nicht wenige im Sande verlaufen, beginnt wieder von Neuem...
Als wenig spektakuläre akribische Kleinarbeit möchte ich seine Vorgehensweise bezeichnen.

Und genau so kommt er schließlich zur Lösung des Falles, nicht durch einen wenig glaubwürdigen Zufall, wie man das normalerweise von Kriminalromanen gewohnt ist.
Leblanc ist ein Arbeiter, kein Super-Ermittler, kein Detektiv mit fortwährenden Geistesblitzen - und gerade deshalb realistisch!
Jemanden wie ihn kann man bei der Polizei des öfteren antreffen!

Kein Zweifel - der Kommissar Leblanc ist die eigentliche Hauptfigur des Krimis! Die Handlung dreht sich um ihn, seine Persönlichkeit, seine Befindlichkeiten, seine Beziehungen zu den Menschen in seinem Umfeld.
Auch als Person ist Leblanc angenehm durchschnittlich, doch gleichzeitig sympathisch mitsamt dem Wirrwarr in seinem Gefühlsleben, dem schwierigen Verhältnis zu seiner exzentrischen Mutter, seiner Unentschlossenheit in Bezug auf Frauen und Bindung.
Wie wohltuend, es mit einem so alltäglichen Charakter zu tun zu haben!

Das Stück Erde, in der der Roman spielt, die Normandie, unspektakulär im Vergleich zur Provence, aber mit einem ganz eigenen Zauber, trägt schließlich in nicht geringem Maße dazu bei, dass man gerne in Deauville, bei Leblanc und seinen Freunden verweilen möchte!
Angenehm zurückhaltend, beinahe beiläufig und ohne Zuhilfenahme der Superlative, die oft gebraucht werden, wenn Schriftsteller das besondere Flair Frankreichs zu beschreiben versuchen, gelingt es Catherine Simon dennoch mühelos, genau dieses Flair dem Leser zu vermitteln und Bilder zu erzeugen, die mich mitnehmen an die raue Atlantikküste und zum Bleiben einladen.
Ein schöner, empfehlenswerter Kriminalroman, - fürwahr!