Rezension

Mord im Urlauberparadies

Canaria Mortal -

Canaria Mortal
von Daniel Verano

Bewertet mit 2 Sternen

Was kommt dabei heraus, wenn sich ein unbedarfter Gran Canaria - Auswanderer in die Arbeit der nicht eben fähig erscheinenden spanischen Polizei einmischt? - Ein lauer Krimi, unglaubwürdig und ohne Spannung...

Die Inhaltsbeschreibung liest sich durchaus verheißungsvoll. Die Sonneninseln der Kanaren, auf denen ganzjährig Sommer herrscht, bringt man gemeinhin mit unbeschwerten Urlaubstagen in Verbindung, denn tiefer möchte der Durchschnittstourist, um das Adjektiv 'unbedarft' zu vermeiden, gar nicht schauen! Kriminalität, unlautere Machenschaften, Korruption oder gar Mord? Nein, das passt da gewiss nicht hin. Eitel Sonnenschein, laute und fröhliche Menschen, traumhafte Strände, herrliches Essen, die Leichtigkeit des Seins – das und nichts anderes erwartet man von den Kanarischen Inseln! Einen realistischeren Einblick freilich bekommen die Langzeiturlauber, die Überwinterer, sofern sie sich nicht entschlossen haben, in einer Blase zu leben und die Wirklichkeit auszublenden, und die Auswanderer, von denen, laut Statistik, die meisten wieder zurückkehren in ihre Ursprungsländer – aus mehreren Gründen, auf die näher einzugehen allerdings den Rahmen sprengen würde. Einer davon allerdings liegt auf der Hand, wenn man sich durch Daniel Veranos (tja, das mit dem ewigen Sommer stimmt zumindest!) auf Gran Canaria spielenden, sehr leicht lesbaren Krimi mit dem bezeichnenden Titel 'Canaria mortal' durchgearbeitet hat. Das Verbrechen macht auch vor den Paradiesen dieser Erde nicht halt und all das Unfeine, das gar nicht Einladende, vor dem einige Auswanderer geflohen sind, findet man auch dort, auf den – so das Klischee – traumschönen Inseln im Atlantik, doch, wie mir scheinen mag, in noch geballterer Form...

Felix Faber jedoch, der Protagonist des hier zu besprechenden Krimis, kehrte Deutschland vor allem aus einem Grund den Rücken: das Wetter hierzulande behagt ihm ganz und gar nicht! Womit er mit den Überwinterern auf eine Stufe zu stellen ist. Denn hätte er nicht das Angebot der 'aufstrebenden Zeitung' La Vida in Las Palmas bekommen, in deren Team mitzuarbeiten, wer weiß, ob er sich nicht doch eher der Reihe der Überwinterer angeschlossen hätte, was sicherlich bekömmlicher für ihn gewesen wäre. Kaum angekommen auf der Insel, bei der er zunächst vergeblich nach der vielgepriesenen landschaftlichen Schönheit sucht, sie sich dann aber herbeiredet, nachdem man ihn in einem schicken Bungalow einquartiert hat (schöne Unterkunft und tolles Essen, und schon ist alles paletti?), gerät er dank seiner grenzenlosen Naivität und Unbedarftheit, gepaart mit einer gehörigen Portion Tollpatschigkeit, in eine Geschichte, die mehrere Nummern zu groß für ihn ist und aus der eine klügere, besonnenere Person vermutlich ihre neugierige Nase herausgehalten hätte. In seiner Einfalt sieht sich Felix überdies noch als wertvoller Mitarbeiter der Polizei, völlig die Tatsache verkennend, dass seine laienhafte Einmischung nicht im geringsten erwünscht ist, obgleich die amtlich Bestellten dringend Hilfe von einem fähigen Kollegen brauchen könnten, der der brave Felix nun wirklich nicht ist.

Apropos Polizei! Ana Montero, die auf dem Covertext völlig zu Unrecht als 'taffe Ermittlerin' charakterisiert wird, ist eine, wie mir mit jeder Begegnung mit ihr scheinen möchte, unorganisierte, unvorsichtige, selten klug handelnde Strafversetzte aus Madrid. Über die Gründe kann man spekulieren, was Genaues weiß man nicht. Wenn man allerdings ihren Aktionen hier in der Geschichte folgt, darf man vermuten, dass ihre Versetzung aufgrund rechter Unfähigkeit, gepaart mit hartnäckiger Eigenmächtigkeit erfolgt ist. Wie sie sich übrigens den PS-starken Rennwagen, den sie liebt wie eine Mutter ihr Kind, und ihre ach so schicken Kostüme, auf denen sie auch dann beharrt, wenn sie Verbrechern in den steinigen Bergen nachjagt, leisten kann, bleibt ein Rätsel, zumal spanische Polizisten, Kriminalbeamte und wie sie sonst noch heißen mögen, eher kärglich entlohnt werden, wie mir mein valencianischer Ordnungshüterfreund mit schöner Regelmäßigkeit vorjammert!

Ja, ein Traumteam der anderen Art sind sie, die 'taffe', dem Kiffen nicht abgeneigte Ana und der verpeilte Felix, der in Windeseile (na denn, ist er halt wenigstens mit einem außergewöhnlichen Talent für Fremdsprachen gesegnet, wenn schon für nichts sonst) so gut Spanisch gelernt hat, dass er sogar für eine spanische Zeitung (!) schreiben soll! Doch was ist das nur für eine seltsame Zeitung? Politisch links ist sie, und 'hipp' (was für ein beklopptes Wort, das alles und nichts bedeuten kann!) ist sie auch. So viel wissen wir, weil man uns das so sagt. Bei der Arbeit können wir ihnen aber nicht über die Schulter blicken, ihre Erzeugnisse kennen wir auch nicht. Was hingegen der Leser beobachten kann ist, dass die schlappen Journalisten des Blattes, wenn sie nicht gerade Kaffee trinken oder in Bars herumhängen und schon am späten Vormittag dem Alkohol zusprechen, geheimnisvoll tun und gegen den Schulbub, denn so wirkt er, aus Deutschland mauern. Halt, dass sie Probleme mit einer rechtsextremistischen Gruppe haben, bekommt man auch noch mit, am Rande, wie alles, mir wichtig Erscheinende, überhaupt nur am Rande Erwähnung findet. Über die sogenannte 'Mentorin' Candela, die Felix zur Seite gestellt wird, möchte ich mich nicht weiter auslassen. Die bei anderen Rezensenten so beliebte hyperaktive junge Frau, ganz dem Klischee der temperamentvollen Spanierin entsprechend, die auf Stöckelschuhen in rasender Geschwindigkeit auch das widrigste Gelände im Sturm nimmt und die man besser nicht ans Steuer eines Autos lassen sollte, kann bei mir genauso wenige Punkte sammeln wie alle anderen Figuren, die in diesem Krimi auftauchen. Dabei müssen für mich die Charaktere keineswegs sympathisch sein, lediglich überzeugend, glaubwürdig in ihrem Verhalten, in ihren Handlungen. Vorstellbar. Genau das aber ist keiner von ihnen, merkwürdigerweise am ehesten vielleicht das Mordopfer selbst, eine sehr junge, aus armen Verhältnissen stammende Frau, seltsam naiv und abgebrüht gleichzeitig, deren Entschluss, auch mal auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, ihr Todesurteil ist.

So, und nun kommen wir zu dem großen Unbekannten, der im Hintergrund, sprich immer dann, wenn der Autor eine seiner vielen Perspektivwechsel für angebracht hält, seine schmutzigen, mutmaßlich blutverklebten Fäden zieht, dessen Geldgier so übermächtig ist, dass er sich – nach außen Biedermann, wie angedeutet wird – über jegliche Gesetze stellt, alle korrumpiert, die sich korrumpieren lassen (und das trifft leider – wie im wahren Leben? - auf die meisten Amtspersonen genauso wie kleine Lichter auf der trockenen und kargen Kanareninsel zu) – und über dessen Identität der Leser am Ende des wenig spannenden Romans ebenso klug ist, wie zu Anfang! Und dieser Punkt, ein Ende nämlich, das abrupt kommt und nichts, aber auch gar nichts aufklärt, ist die gravierendste Schwäche der Geschichte! Ärgerlich, unbefriedigend, selbst wenn man weiß, dass der übereifrige Einfaltspinsel Felix Faber hier in seinem ersten Fall ermittelt. Zumindest einmal noch wird er auf den Kanaren, wo er sich inzwischen, warum auch immer, bereits recht heimisch fühlt, in ein Verbrechen stolpern dürfen, das, davon kann man ausgehen, irgendwie mit dem unbekannten Bösewicht verknüpft sein wird, sein muss, denn der agiert ja weiter im Dunkeln, sein Handwerk wurde ihm in 'Canaria mortal' nicht gelegt. Vielleicht wird der camouflierte Ehrenmann sogar noch durch weitere Teile fädenziehend, quasi selbst als roter Faden, irrlichtern, bevor endlich, endlich seine wahre Identität aufgedeckt wird!?

Wie dem auch sei – ich sage der angedachten Krimireihe mit der Lektüre dieses ersten Bandes adieu! Keine zweite Chance für Felix, Ana, Candela und wie sie alle heißen. Dafür aber werde ich dem Autor des grandiosen, überragenden, zutiefst bewegenden zeitgeschichtlichen Romans 'Zorn der Lämmer', den er unter seinem richtigen Namen, Daniel Wehnhardt, veröffentlicht hat, treubleiben, auf weitere schriftstellerische Perlen dieser Art hoffend!