Rezension

Nicht nur eine Familiengeschichte

Wiedersehen in Barfleur - Claire Bonamy

Wiedersehen in Barfleur
von Claire Bonamy

Bewertet mit 5 Sternen

"...Weißt du, wer die Vielfältigkeit und den Reichtum der Natur schätzt, sich am Farbenspiel und am Licht erfreut, ist wirklich reich..."

 

Die 30jährige Charlotte ist Kunsthistorikerin und arbeitet in Köln. Im Mittelpunkt der momentanen Ausstellung steht ein Gemälde von Monet.

Als Charlotte in ihrer Wohnung gerade mit ihrer Freundin Tessa telefoniert, erhält sie einen Anruf aus Frankreich. Er ist von ihre Großcousine Sophie, die sich in Barfleur aufhält. Sie behauptet, Charlottes Vater gesehen zu haben und schickt Charlotte eine Foto. Außerdem spricht eine weitere Tatsache dafür. Der Mann hatte zwei kleine Mädchen bei sich und bastelte mit ihnen ganz besondere Origamischmetterlinge, die man als Geheimnisträger bezeichnet. Sofort macht sich Charlotte auf den Weg nach Bafleur.

Die Autorin hat eine fesselnde Geschichte geschrieben, die auf zwei Ebenen spielt. Zum einen darf ich als Leser in der Gegenwart Charlottes Suche nach dem Vater verfolgen, zum anderen gewährt mir die Autorin einen Blick in die Vergangenheit und in das Leben von Mathilde. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen.

Es ist 15 Jahre her, dass Charlotte Barfleur letztmalig besucht hat. Damals ist ihr Vater mit dem Boot auf das Meer gefahren und nie zurückgekehrt. Seine Leiche wurde nicht gefunden. Das ließ Raum für Spekulationen. Nach dem Tode des Großvaters erbte dessen Schwester Anna das Haus in Barfleur. Charlottes Mutter brach sämtliche Beziehungen zur Familie des Vaters ab.

Kurz nachdem Charlotte in Barfleur angekommen ist, findet sie auf einem Schrank die vor 15 Jahren verschollene Zeichenmappe ihres Vaters. Obenauf liegt eine Zeichnung des berühmten Malers Paul Signac. Auf der Rückseite befindet sich eine Widmung, unterschrieben von Mathilde.

Die Geschichte der Mathilde beginnt 1933. Das 10jährige Mädchen lernt den Maler am Strand kennen.

Der Schriftstil des Buches ist sehr abwechslungsreich. Detailliert und mit passenden Metapher wird der französische Ort und seine Umgebung beschrieben. Die Bilder, die in der Geschichte eine Rolle spielen, werden so genau wiedergegeben, dass ich sie vor mir sah. Diese bildhafte Sprache zeigt auch obiges Zitat. Die Autorin hat viel Wert auf die Emotionen ihrer Protagonisten gelegt. Charlottes Gefühl der Geborgenheit in Barfleur, ihre Zuneigung zu einem alten Jugendfreund, die Freude von Tante Anna, Charlotte endlich wieder bei sich haben zu dürfen, sind einige Beispiele dafür. Gut gefallen hat mir, dass selbst die Nebenrollen ausreichend charakterisiert wurden, sei es Yves, ein Freund des Vaters, oder Vincent, dem Charlotte eine besondere Erinnerung verdankt.

Im Strang der Vergangenheit spielt die Besetzung von Barfleur durch die deutsche Armee im Jahre 1940 eine besondere Rolle. Gut wird herausgearbeitet, wie die anfänglich guten Kontakte zwischen den Soldaten und der einheimischen Bevölkerung bald unterbunden wurden. Die Folgen, wenn man sich nicht daran hielt, waren grausam. Für die Soldaten und Offiziere bedeutete das eine Versetzung, für die Frauen war die Demütigung anfangs schleichend und unterschwellig, später hart und öffentlich.

Das Cover mit der jungen Frau und ihren Blick aufs Meer wirkt ansprechend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es erzählt ein Stück Geschichte über die Kinder des Krieges und verknüpft sie geschickt mit gegenwärtigen Schicksalen.