Rezension

Nicht wegschauen!

Von der perfekten Frau zur Teufelin - Hannah Fackel

Von der perfekten Frau zur Teufelin
von Hannah Fackel

 

„Ein Mädchen zu sein war nichts, worüber man sich freuen konnte“ , stellt Hannah Fackel in ihrem autobiografischen Buch fest. Die Schilderungen ihrer Kindheit und Jugend unterstreichen das nicht nur, sondern decken erschreckende Erziehungstraditionen auf.

Hannah wächst in einer muslimischen Familie auf, die aus Tschetschenien nach Deutschland emigriert ist. Ihre Familie gehört dem Wahhabismus an, einer besonders strengen Ausrichtung des Islam, dessen Traditionen mit extremen Wertemaßstäben und Erziehungsmaßnahmen einhergeht. Während der Sohn zum künftigen Familienoberhaupt und -versorger aufgezogen wird, lernt die Tochter als „unwertes Fleisch“ die Rolle der unterwürfigen Dienerin des Mannes anzunehmen. Hannah, die jüngste Tochter der Familie Fackel, besucht erfolgreich eine Hamburger Schule und hat Zukunftspläne: sie möchte Lehrerin werden. Schon bald aber gerät sie in tiefe Konflikte, verursacht durch die Diskrepanz zwischen der unbarmherzigen traditionellen Erziehung im Elternhaus und der sie umgebenden westlich geprägten Wirklichkeit. Weder ihre älteren Schwestern noch die Mutter haben Verständnis oder gar Mitleid. Weil Hannahs Wille jedoch nicht so leicht zu brechen ist, geben ihre Eltern sie zur weiteren Erziehung in eine andere Familie. Doch hier ist ihr Leidensweg noch lange nicht zu Ende.

In Fortsetzung zum Buch ihrer älteren Schwester Helena „Ich bin die perfekte Frau“ schildert hier Hannah ihren Weg zum Erwachsenwerden und auch die weiteren Schicksale ihrer Schwestern auf eine packende, mitreißende Art. Anschaulich und eindrucksvoll beschreibt sie diese für Mädchen und Frauen von psychischer und physischer Gewalt geprägten Kultur. Ein Zusammenhalt unter Frauen wäre sinnvoll, aber: „Freundschaften unter Frauen gibt es nicht.“ stellt  Helena, Hannahs ältere Schwester nüchtern fest. Eher herrschen Druck und Konkurrenz untereinander.

Am Ende des Buches gibt die Autorin einige Adressen bekannt, an die sich Betroffene oder Zeugen im Notfall wenden können. Nicht die Augen verschließen, sondern offen sein für mögliche Übergriffe gegenüber Kindern  -  das ist eine Botschaft des Buches.